Davon war er allerdings nur noch ‚überzeugt‘. „Warum sonst schreibt ein Mann einer Frau solche Briefe?“ Er zeigte wieder auf meine Adresse auf dem Kuvert und las meine Telefonnummer darauf laut vor.
Ich stieß einen unüberhörbaren Fluch aus, der unterstreichen sollte, wie absurd ich seine Vorwürfe fand.
Erst jetzt wurde mir bewusst, wie gelassen er sich die ganze Zeit verhalten hatte. Eigentlich müsste er mich wütend und zornig mit lautstarken Drohungen beschimpfen, damit ich es nicht noch einmal wagte, seine Frau anzurühren. Aber dieser Mann beugte sich seelenruhig zu mir und fragte schüchtern leise: „Sind Sie wirklich drei Mal in ihr gekommen?“
Ich starrte ihn erst ungläubig dann nachdenklich an. Was ging in diesem Mann vor, dass er sich so gleichmütig danach erkundigte, ohne auch nur eine Spur von Anfeindung zu zeigen? Sorge machte sich in mir breit: Wie konnte ich verhindern, dass er so etwas auch Anderen erzählte?
„Dass meine Frau so etwas macht, damit habe ich mich längst abgefunden“, flüsterte er mir zu. „Wenn sie nur bei mir bleibt! Ich liebe sie doch, und sie liebt mich auch.“
Ich versuchte, ihn mit einem nichtssagenden Blick anzuschauen, um zu verbergen, für was ich ihn hielt: Eine gestörte Person, die zu abwegigem Verhalten neigte.
„Es ist nicht so, dass ich ihr das nicht auch bieten könnte. Sie verstehen, was ich meine.“ Er atmete tief durch, als müsste er sich zu einem Bekenntnis durchringen. „Früher ging da gar nichts, bis ich den Entschluss fasste, einen Spezialisten um Rat zu fragen.“ Er sprach nur noch im Flüsterton. „Er hatte die rettende Idee, wie ich ohne Medikamente, sogar ohne Viagra, auskomme. Alles auf ganz natürlicher Basis.“
Ich horchte auf. „Auf welcher natürlichen Basis?“, fragte ich kühl.
Er schüttelte den Kopf. Darüber wollte er nicht sprechen. Aber es war eindeutig, dass das mit diesem Brief zu tun hatte.
„Es hat Wunder gewirkt.“
Der Hahnrei
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Der Hahnrei
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