Tinos Sicht der Dinge:
Ich freute mich ausserordentlich auf unser erstes gemeinsames Baby. Dass es ein Söhnchen würde, war Elfriede und mir bereits klar, bevor der erste Ultraschall gemacht wurde. Sowas spürt man einfach, als Vater. Alles war optimal vorbereitet, Windeln und Feuchttücher bereits an Ort und Stelle – ebenso das Windspiel mit den bunten Fischen, das ich eigens für Luzius angefertigt hatte, sollte er denn dereinst auf dem Wickeltisch liegen und fröhlich vor sich hin brabbeln. Elfriede hatte sich um luftige Vorhänge, einen kleinen, runden Piratenteppich und bunte Bordüren an der Wiege gekümmert. Dies, obwohl sie in den letzten Wochen vor der Geburt sehr erschöpft war.
Ich stehe auf schwangere Frauen! Und ganz insbesondere stand ich in jener Zeit auf Elfriede. Was war dieser Körper doch ein Wunderwerk! Er beherbergte nicht nur meinen kleinen Sohn, sondern machte aus meiner Frau das ultimative Naturereignis.. Bloss: Sie liess sich nicht mehr knuddeln, so wie früher. Elfriede hielt sich mich vom Leib, so gut es nur ging. „Kucken darfst Du, mehr nicht!“, war ihr Credo – und ich teilte dieses Schicksal wohl mit Millionen von werdenden Vätern dieser Welt. Bestimmt gibt es Väter, die nicht mal kucken dürfen. Die kaum was mitbekommen von dunklen, drallen Brustwarzen, dem appetitilich gewölbten Bauch und warmen, festen Schamlippen. Die ihre schwangere Geliebte, mit der sie es dereinst auf dem Pingpongtisch, im Wald oder auf dem Lehrerpult getrieben haben, noch nicht mal mehr küssen dürfen.
Wer kann es mir somit verdenken, dass ich meine Fantasien andernorts auslebte? Nur die Fantasien – klar. Fremdgehen in dieser intensiven praepartalen Zeit war für mich ein absolutes No-Go. Aber träumen durfte ich doch, wovon ich wollte! Und, doch, meine Träume hatten einen Gegenstand: Die Hebamme, die meine Frau nun jeden dritten Tag besuchte. In einem kleinen, geflochtenen Körbchen hatte sie alles bei sich, was sie für ihren geheimnisvollen, aber sicher auch anstrengenden Beruf benötigte.
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