Herbstfeuer

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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Clarissa Wittinghaus

Der Tag der Deutschen Einheit, der 3. Oktober, lag in diesem Jahr auf einem Mittwoch. Die Wetternachrichten hatten einen kühlen, regnerischen und zeitweise windigen Tag vorhergesagt, und sie lagen richtig. Noch in der Nacht hatte es lange und anhaltend geregnet, riesige Pfützen auf allen Straßen, die Bäume im Park hatten dunkle Stämme vor Nässe, aus defekten Regenrinnen troff das Wasser auf die Straßen. Ein Tag wie dazu gemacht, um zu Hause zu bleiben, auszuschlafen, Bücher zu lesen, mit Freunden zu telefonieren oder einfach nur die Füße hochzulegen und zu träumen. Die allermeisten Menschen, die ich kenne, denken so.
Aber ich nicht. Ich liebe die Stille und das Alleinsein (jedenfalls zu Zeiten) und kann mir bei solch einem Wetter nichts Schöneres denken, als mich regenfest anzuziehen und eine kleine Wanderung zu unternehmen. Kaum sonst jemand würde auf die Idee kommen, ausgerechnet heute draußen herumzulaufen - und es schön zu finden. Ich schon. Also stand ich bereits früh am Morgen auf, duschte und zog mir ein paar alte Klamotten an, holte meine alten Wanderschuhe hervor (klobige, steigeisentaugliche Dinger, aber wasserfest), packte meine Regenjacke und -hose in meinen kleinen Fiat und fuhr los.
Ich weiß freilich nicht, ob Sie die Uckermark kennen. Eine karge Landschaft im Norden Berlins mit sandigen Wegen, Kiefernwäldern und weiten, manchmal sumpfigen Wiesen. Vielleicht hilft Ihnen der Hinweis, daß dies eines der am dünnsten besiedelten Gebiete der Bundesrepublik ist, schlicht weil es hier nichts gibt, was auch nur entfernt nach einem lohnenden Arbeitsplatz oder Freizeitangebot aussehen würde (von einem schmalen Tourismus mal abgesehen). Hier buckeln die Straßen noch, finden sich an Bordsteinen Eisenbänder, die in längst vergangenen Zeiten einmal Pferdefuhrwerke davon abgehalten haben, die Kanten der Steine abzuschleifen. Hier gibt es in Dörfern mit nicht mehr als einem Dutzend Häusern noch immer Straßen, die unbefestigt sind, so daß Sie nicht wissen können, ob Sie noch richtig sind oder sich bereits auf einem der vielen "Forstwirtschaftswege" verfahren haben. Hier können Sie stundenlang laufen, ohne auch nur einer Menschenseele zu begegnen - und wenn es regnet und windig und kalt ist wie heute, dann erst recht.

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