Herzberliner

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Herzberliner

Herzberliner

Anita Isiris

Alles Frauen, die hoffend in die Zukunft blickten und dabei die Gegenwart vernachlässigten. Auch Herr Pharod wurde von etlichen Blicken gestreift. Er hatte sich zurecht gemacht mit einer engen schwarzen Lederhose, einem grün-weiss gestreiften Hemd, das er lässig darüber hängen liess, und neuen gelben Stoffschuhen. Easyland war überheizt, und Herr Pharod hatte Winterjacke und Pulli im Auto gelassen. Was er hier eigentlich wollte, hätte er nicht zu sagen vermocht. Dragana sehen, klar. Und dann? Malen konnte er sie hier wohl kaum – verborgene, diskrete Winkel waren im Easyland noch rarer als in der kleinen Konditorei, in der er sie kennen gelernt hatte.
Dann machte er sich bemerkbar. “Hallo”, sagte er, “ich bekomme zwei Herzberliner”. “Bist du sicher, dass du sie bekommst?” lächelte Dragana. Herr Pharod war der einzige Kunde an ihrem Stand, der unter der Last von Bio-Broten, Lachsschnitten und Schokoschnitten beinahe zusammenbrach. “O.K. Komm mit. Ich habe Pause.” Sie trat hinter dem Stand hervor und nickte Herrn Pharod zu. Sie steuerte auf das Kleidergeschäft zu, das ihrem Backwarenstand gegenüber lag. “Kannst du mich beraten?” kicherte sie. Herr Pharod folgte ihr wie unter Hypnose. Draganas dichtes schwarzes Haar kontrastierte angenehm mit dem senfgelben Kleid, das allerdings etwas zu viel von ihrer Figur verriet. Dragana steuerte ohne Umschweife auf die Damenunterwäsche zu. “Wir haben nicht viel Zeit”, flüsterte sie. Sie schnappte sich einen opulent verzierten BH aus dem “Cup E”-Korb und lächelte Herrn Pharod an. “Exakt meine Körbchengrösse.”
Die Garderobenräume waren schlicht und trennten die Kleideranprobierenden durch dünne graue Vorhänge von der neugierigen Welt. Für wartende Ehemänner und Freundinnen waren orangefarbene Schalensitze angebracht. Dragana war die einzige Kundin. Sie schloss den Vorhang nur bis zur Hälfte und zog sich ihr Kleid über den Kopf. Herr Pharod schluckte. Zentimeter um Zentimeter kam wertvolle, von ihm innig begehrte Haut zum Vorschein. Draganas Oberschenkel. Draganas Hüften. Draganas Rückenpartie. Draganas Schultern. Sie stand von Herrn Pharod abgewandt, so, als würde sie sich schämen, und öffnete ihren BH. Der Spiegel enthüllte Draganas Körper für Herrn Pharod in der Frontalansicht. Draganas Höschen verschwand zwischen ihren Pobacken – offenbar liebte auch die Konditorin Süsses über alles. Ihr Frauenbäuchlein wirkte neckisch. Und dann, verdammt, Draganas Herzberliner. Draganas nackte Herzberliner.
Herr Pharod vermutete, dass er nie wieder würde aufstehen können. Dragana bückte sich nach dem reich verzierten Cup E BH und probierte ihn an.
“Gut so?”, lächelte sie und drehte sich nach Herrn Pharod um.
Dann war ihre Pause vorüber. Sie zog sich ohne Hast wieder an, warf dem verdutzten Herrn Pharod ein Kusshändchen zu, verliess eilends das Kleidergeschäft und stellte sich hinter ihren Backwarenstand, als wäre nichts gewesen.

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