Home swing home

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Claudia Carl

Oh weh, was wird Frau Dobler denken, wenn sie am helllichten Nachmittag diese Schreie hört? „Geil, ohhhh, das ist geil.“

Unser Haus ist extrem hellhörig, Baujahr 1956. Frau Dobler und ich leben quasi zusammen, ich höre ihre allmorgendlichen Telefonate und ihr „tschüsssiiii“. Woher sie das als waschechte Bayerin hat, ist mir ein Rätsel. Ich verstehe zum Glück nicht jedes Wort, das sie spricht. Das meiste ist ein Singsang, den man auch ignorieren kann. Nur wenn sie hocherfreut abhebt oder sich verabschiedet, dann scheint sie lauter zu sprechen.

Auch mit Herrn Lewandowski, der über mir wohnt, verbinden mich vertraute Geräusche. Da er ebenso wie Frau Dobler weit über 70 ist, hört er aber vielleicht nicht mehr alles. Wofür auch spricht, dass er den Fernseher, wenn er ihn mal anhat, furchtbar laut stellt. Das tut er aber kaum noch, seitdem ich vor Jahren im Nachthemdchen bei ihm erschienen bin, um mich zu beschweren. Der Anblick hat ihm offenbar den Verstand geraubt, denn danach warf er mir wochenlang handgeschriebene Liebesbriefe in den Briefkasten. Ich habe mir einmal von einer Freundin die ersten Sätze vorlesen lassen, nur um sicher zu gehen, um was es in den Briefen geht. Ihr Urteil: eindeutige Anmache. Darauf habe ich die anderen zu einem Bündel verschnürt und in meinem Büro im Schreibtisch verstaut. Bis jetzt habe ich mich noch nicht getraut, sie zu lesen. Aber Herr Lewandowski braucht sich über die Geilheits-Schreie nicht zu beschweren. Er wichst und stöhnt ja selbst immer regelmäßig. Top, dass er das noch kann.

Die Schreie kommen aus der Kehle des jungen Zahir. Er und sein Kollege sind mir schon die Tage aufgefallen, weil sie so ein süßes Bild in unserem Treppenhaus abgaben. Vor allem Zahir. Die beiden Maler hatten bereits die gesamten Wände hell weiß gestrichen, jetzt waren sie dabei, auch die Treppengeländer zu bearbeiten. Auch ihre Arbeitskleidung war komplett weiß, verschönt von Farbflecken. Nur das junge hilflose Gesicht von Zahir mit seinen unschuldigen großen Augen war schwarz. Ein wundervoller Kontrast. Doch auch der blasse Sepp, etwa im selben Alter wie er, also zwischen 20 und 25 schätze ich, war schnuckelig. Beide waren eben so wahnsinnig jung und sie bemühten sich, einen kaum anzuschauen, vielleicht hatte ihnen das ihr Meister verboten.

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