Er war ein „vegetable lover“ und hätte Sonjas sämtliche Öffnungen mit Bananen, Gurken und Karotten traktieren wollen – dies für 10’000 Schweizer Franken die Stunde. Ein gutes Geschäft für Herrn Wenger, das jetzt wohl wie eine Seifenblase zerplatzte. Der Kunde stand kurz vor der Rückreise nach Tokyo. Wütend riss Wenger die Tür zur Dachkammer auf – der Hornhautgestank schlug ihn zurück. Aber da war noch etwas, etwas Unheimliches, Unberechenbares. Herr Wenger spürte dies intuitiv – und bekam es gleich physich zu fühlen. Ein langes, schweres Etwas schleuderte sich ihm entgegen und umzwang seinen Körper in Sekundenschnelle. Man hörte das Knacken von brechenden Knochen, ein Röcheln. Ein gewiefter Filmregisseur hätte jetzt auf Wengers hervortretende Augen gezoomt; vielleicht auch auf den dreieckigen Schlangenkopf. In rasender Geschwindigkeit zog Stefan Wengers Leben nochmals an ihm vorbei: Die früh verstorbene Mutter. Die Schlägereien in der Grundschule. Mädchenkleider. Sein ehemaliger Chef. Das erste Motorrad. Das Zischen seiner Zigaretten auf der Haut junger Frauen. Dein Büro. Die Physiognomie japanischer Geschäftsmänner... und, nicht zuletzt, seine über 30 begangenen Vergewaltigungen in den letzten Jahren. Sein Terrarium. Das erhitzte und erschöpfte Reinigungspersonal. Interlakens Ausgehmeile. Berge, die er über alles liebte. Seine alte Cessna, die er mal geflogen war. Sonjas unwiderstehliche Schamlippen, die er, wie alles, das er innig liebte, immer wieder den Wurstfingern fremder Männer zugänglich gemacht hatte. Ja, Sonja war seine Geliebte gewesen – wenn auch nicht nur seine. Viel Geld hatte er mit ihr verdient und sie zu seiner Komplizin gemacht. Bilder von ihr waren überall im Internet zu finden; es gab Kurzfilme mit ihr... Sonja war unter seiner Ägide zur öffentlichen Frau geworden, zur Frau ohne Geheimnisse.
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