Ihr Liebhaber

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Ihr Liebhaber

Ihr Liebhaber

Matthias von Schramm

Rollte den Straßenasphalt mit den Augen auf. Sah nach oben, wo Himmel war. Striff ihren Rock zurecht. Dieser sandige Boden, dieser schwere Einkaufskorb in der rechten Hand und die lachenden Augen der Kinder des Dorfes. Eigentlich wollte Andrea gar nicht allzu lange hier bleiben, doch war sie dann der Länge nach hingefallen und hatte mit Sucht nach Luft gesucht, daß diese Menschen hier trotz freiwilliger Feuerwehr und pfeifenden Männergestrüpp was liebenswertes hatten. Doris z.B., Glühwangen marmoriert, Aderstraßen durch Apfelbäckchen und nicht neidisch auf das Gebildete an Andrea. Die einzige, die seidenmatte Fotos beim Konsum bestellen würde. Das fiel schon ins Gewicht, ins exzentrische.
Das die Menschen hier nicht, oder nur Zwangsgrüßten, daran hatte sich Andrea gewöhnt. Und das in den Nächten stramme Bubenhosen vor ihrem Fenster flatterten gehörte zur sozialerotischen Unterhaltung einer alleinstehenden Dame in der Provinz. Es war dementsprechend nicht so, daß sie sich hier nicht wohl fühlte. Sie vertrocknete nur und lief Slalom durch ihre Obstbäume und machte aus der Tatsache, daß nur einmal am Tag ein Bus abfuhr, ein Gesellschaftsspiel. Die Punkte auf ihrem wehenden Rock sammelten die Herbstluft ein und flogen durcheinander wie Tischtennisbälle. Sie wippte ein wenig mit dem linken Fuß, wenn sie rechts abhob. Sie versuchte aber nicht mit diesen Stadtschuhen zu rennen, etwas blieb halt übrig von früher und von dem Geist ihrer Mutterstadt. Sie spürte, wie ihre Säfte ausflossen in das Nichts der Erinnerungen in denen sich scharfkantige Männergesichter zu Ikonen gebildet hatten. Und das mit der ulltradünnen Binde war ja wohl ein Witz, soviel Selbstgefühl traute sie sich schon noch zu.
Jetzt würde sie jeden Jägermeister zum Schatten seines Gamsbartes machen. Und sie witzelte innerlich und dachte nicht an Flucht.
Sie war sogar zu früh. So schnell hatten sie die Stadtschuhe dann doch noch getragen. Der Bus würde in einer Viertelstunde die Dorfstraße streifen und so halb schräg stehen bleiben. Und zwei gebeugte alte Weiber, tief in Tücher gehüllt, rutschten dem Wind gegenüber vor dem Häuschen an der Haltestelle in die sehr andere Richtung. Zurückgesetzt sozusagen. Verlaufen, verlassen, verloren, verbunkert! High Nun. Ein paar Burschen spielten auf der Kreuzung Fußball. In kurzen Lederhosen und mit Knallwaden. Die bedienten sich der typischen Jugendsprache: WEISST DU ALTEER, DER TYP ALTEER... GESTERN ALTEER, ICH ALTEER!

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