Ursprünglich waren sie im Keller angelegt, aber seit Stürme und Hurricanes massiv zugenommen hatten, war die Geschäftsleitung auf die Idee gekommen, die ersten vier Etagen frei zu räumen – um Schäden an den Servern durch Kellerüberschwemmungen zu vermeiden. Hier stieg selten jemand ein- oder aus. Langsam glitt der Aufzug vom 10. ins 11. Stockwerk – dann blieb er, zwischen den beiden Stockwerken, mit einem Ruck stehen. Erschrocken starrten Sebastian und Claudia sich an, wie das Menschen fast immer tun, wenn sie im Lift steckenbleiben. Danach kommt eine Zeitspanne, in der die sich zumeist fremden Menschen gegenseitigen Blicken eher ausweichen, bis sich dann, in vielen Fällen, ein Dialog entfaltet und die Beziehungsarbeit aufgenommen wird.
Es ist dieses Wahrscheinlichkeitsmoment, das die Menschen so durcheinander bringt – ähnlich etwa einem Flugzeugabsturz, wo sich die Passagiere noch im freien Flug fragen, «warum gerade ich»?
Bei blockierten Aufzügen ist das ähnlich. Tausende von Fahrten gehen reibungslos vonstatten, aber irgendeinmal versagt die Technik. Für wie lange, ist dann zumeist unklar.
Im Versicherungsgebäude der «Insura» Lebensversicherungen befand sich eine gigantische, opulent ausgeleuchtete Lifthalle, die Visitenkarte des Betriebs, und die Sicherheitsvorkehrungen sowie die Wartungsfrequenz der Aufzüge waren so akribisch aufeinander abgestimmt, dass Ausfälle praktisch auszuschliessen waren. Dies ganz im Gegensatz zu den Mitarbeiter- und Lieferantenaufzügen im Nebenkorridor. Sie waren nicht ganz so intensiv auf dem Radar der Techniker, obwohl sie ebenfalls sehr rege benutzt wurden. In einem solchen Aufzug steckten nun Claudia und der Bäckereiausläufer Sebastian. Wortlos standen sie sich gegenüber, wobei Sebastian – was hätte er denn auch anderes tun sollen – Claudias Rock musterte. Über dessen Inhalt machte er sich keine Gedanken – noch nicht.
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