Im Aufzug

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Anita Isiris

Sie hatte zudem diesen gewissen, anmutig wiegenden Gang, weich, fliessend, und sie galt den männlichen Angestellten der «Insura Lebensversicherungen» als absoluter Top Shot, was sie einander auch kundtaten, wenn sie unter sich waren – am Pissoir oder so. «Hast Du die Claudia heute gesehen», war eine sehr oft geäusserte, sibyllinisch anmutende Bemerkung. «Hast Du heute ihren Arsch schon begutachtet» oder «sie hat wirkich megageile Titten» wäre bedeutend direkter und ehrlicher gewesen. «Hast Du Claudia heute schon gesehen». Na ja. Dabei kleidete sie sich ja meist in dezenten unauffälligen Farben. Aber da war das Kopfkino, das sie auslöste – auch bei Sebastian, der noch immer verkrampft an die Liftwand starrte.

Claudia hatte sich aber nicht nur hingesetzt, weil sie das Stehen satthatte. Sie musste dringend pinkeln und hoffte, in sitzender Position den Druck in ihrer Blase etwas abschwächen zu können. Das gelang ihr nur bedingt, und sie hoffte inständig, dass sich der Lift in den nächsten Minuten in Bewegung setzte. Das geschah allerdings nicht. Für Claudia wurde die Situation zunehmend ungemütlich. «Mögen Sie etwas trinken», fragte Sebastian scheu. In einem grünen Rucksack hatte er eine Mineralwasserflasche dabei. «Oh nein… das wäre jetzt gerade nicht das Richtige. Ich muss dringend pinkeln», vertraute sie ihm an. Die Situationskomik war nicht zu übersehen, und sei es aus Galgenhumor oder um die peinliche Situation zu entschärfen, prusteten beide los. «Ah, ah, ich kann nicht mehr…», bemerkte Claudia, hielt sich den Bauch… und musste ihre Beckenbodenmuskulatur schon sehr in Anspruch nehmen, damit kein Missgeschick passierte.

Eine Viertelstunde später vermeinte sie zu platzen. «Entschuldigung», sagte sie und schaute Sebastian aus ihren grossen Rehaugen an. «Ich halte es nicht mehr aus». Sebastian errötete. Sie würde sich doch wohl nicht, hier im Lift, auf engstem Raum, vor ihm erleichtern wollen?

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