Im Aufzug

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Im Aufzug

Im Aufzug

Anita Isiris

Claudias Aussehen war alles andere als spektakulär. Sie kleidete sich unauffällig, trug meistens schwarze Schuhe, den obligaten grünen oder grauen Rock, der zum Dresscode einer Administrations-Mitarbeiterin gehörte. Ihr Haar trug sie streng nach hinten gekämmt, und Claudia schminkte sich ausgesprochen dezent. Nur ihre grosszügig geschnittenen Blusen, deren Farbe täglich wechselte, liessen eine eindrückliche Oberweite erahnen. Claudia war aber nicht jemand, der das zur Schau stellte oder gar Kapital aus ihren grossen Brüsten schlug. Schwierig wäre das nicht gewesen. In der Versicherung, bei der sie arbeitete, gab es vor allem Männer. Männer, hinter deren Krawatten-Fassade nur schwerlich auszumachen war, was für ein Charakter mit was für Präferenzen sich verbarg.

An jenem Montagmorgen stand Claudia vor dem Aufzug und war gedanklich schon an ihrem Arbeitsplatz. Sie hatte dort eine wunderbare Aussicht über die Stadt; das Grossraumbüro war zudem lichtdurchflutet, was der fröhlichen jungen Frau sehr behagte. «Frauen sind wie Blumen», sagte ihr Chef immer. «Sie brauchen Licht, Luft und Wasser». Er war bei der Bauplanung für die Arbeitsplätze zuständig gewesen und hatte sie nach diesem Motto mitentwickelt.

Neben Claudia wartete Sebastian auf den Aufzug. Es war bereits 09:00 Uhr; er war der Auslaufbursche der Bäckerei am Ende der Strasse und nahm persönlich die Bestellungen für die 10:00 Uhr Kaffeepause auf. In seiner gestärkten weissen Schürze, der weit geschnittenen, schwarz-weiss karierten Hose, mit seinem freundlichen Gesicht und den dunklen Locken wirkte er ausgesprochen attraktiv – auch auf die wie immer unscheinbar gekleidete Claudia.

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