Frau Dr. Bettina Schlüter war eine ausgezeichnete Juristin, selbstbewusst, zielstrebig und vor allem anderen der Gerechtigkeit verpflichtet. Sie führte in mildem Ton ein strenges Regiment, stand erkennbar und dauerhaft unter Strom und selbst in den Verhandlungspausen war wenig Privates von ihr zu erfahren. Mit der Corona-Pandemie hatte es sich eingebürgert, überwiegend Erörterungstermine durchzuführen, ohne volle Besetzung des Gerichts mit Ehrenamtlichen. Die verbliebenen Beteiligten kannten sich durch die Vielzahl der Termine meist gut, und ab dieser Veränderung gab es neben von ihr gewünschter Erörterung sonstiger anhängiger schwieriger Verfahren tatsächlich gelegentlich Auskunft zu dem einen oder anderen persönlichen Umstand. Dabei hielt Peter Korth sich im Kreis seiner Kolleginnen und Kollegen bedeckt und schätzte sich im Geheimen glücklich, hier etwas mehr von ihr bedacht zu werden als die anderen.
Seine umtriebige, charmante Chefin wiederum hatte schnell ihr wahres Alter herausbekommen. Geschätzt Mitte vierzig, war sie tatsächlich zehn Jahre älter, was ihr wirklich niemand ansah. Sie war ein Model-Typ. Groß, hager, langes, blondes Haar, kleine Brüste, gute Figur, wie diese universell verwechselbaren Kleiderständer eben. Alles an ihr war betont unauffällig: schlichte Eleganz, das Understatement der Haute Couture oder auch nur eine Aversion gegen schrille aktuelle Moden. Dazu trug sie eine ansprechende schwarze Nerdbrille, durch deren große Gläser die Lachfalten ihrer Augen stets gut zu erkennen waren.
Ansonsten war das Verhältnis zwischen Behördenvertretern und der Frau Vorsitzenden so ein Frau-Mann-Ding. Peter und seine Kollegen kamen gut bis sehr gut mit ihr aus, vielleicht auch, weil sie sie als Boss akzeptierten, wie eben auch ihre eigenen beiden Chefinnen.
Im Bistro mit Bettina
Geschichten vom Anfang der Träume
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