Im Café

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Im Café

Im Café

T. D. Rosari

Bridget liebte das Café im Zentrum der Stadt. Das Gebäude war aus dem 18. Jahrhundert und beherbergte seit mehr als hundert Jahren das Kaffeehaus. Hier gab es unzählige erstklassige Kaffeevariationen und noch exquisitere Süßspeisen. Das Interieur war klassisch-elegant, das Personal professionell, diskret, höflich und flink. Bridget interessierte sich aber vor allem für das Publikum. Alte pensionierte Rechtsanwaltswitwen zählten ebenso zur Kundschaft des Hauses wie betuchte Touristen. Gar nicht selten waren gestresste junge Mütter aus besserem Hause mit ihren kleinen Bälgern zu sehen. Meist kamen sie mit Design-Kinderwägen und riesigen Taschen, in denen sich unzählige Babyutensilien verbargen, in das Lokal. Sie träumten von einem gepflegten Kaffee und angenehmen Konversationen mit Freundinnen oder Ehemann und bekamen doch nur quengelnde Kinder, umgekippte Apfelsäfte und vollgekleckerte Lätzchen.
Wieder beobachtete Bridget ein frustriertes Exemplar der Gattung Mutter. Bridget wusste, sie sollte Mitleid mit dieser Frau haben, doch eigentlich spürte sie nur Genugtuung und Schadenfreude. Gott sei Dank steckte sie nicht in der Haut dieser Frau! Wieso hatte sie sich überhaupt schwängern lassen, wenn sie dieses Mutter-Dasein so offensichtlich hasste?
Genüsslich nippte Bridget an ihrem Sekt. Das kleine Monster am Nebentisch grapschte gerade nach dem Mobiltelefon seiner Mutter. Wie gut, dass ihr lieber Göttergatte mit der kleinen Sarah gerade im städtischen Zoo war. Vermutlich fütterten die beiden Alpakas oder Schafe oder andere nach Urin und Kot stinkende Tiere.
Bridget blickte sich um. Natürlich waren nicht nur alte Damen, Touristen und gestresste Mütter in diesem Café. Viel neugieriger war sie auf all die Männer in ihren noblen Anzügen, die sich für so wichtig hielten. Sie trugen ihre teuren Uhren, Sonnenbrillen und Mobiltelefone wie Trophäen vor sich her und führten ernste Gespräche.

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