Seit ein paar Stunden ist er durch die Stadt gewandert, den breiten Boulevard entlang, quer durch enge Gassen, ist dabei auf noch engere Plätze gestoßen. Er hat die fremdartige Atmosphäre in sich aufgenommen, die Häuser, die Gärten, die Mauern, die Palmen und er hat die Menschen beobachtet. Eilige, die rasch einem Ziel zu strebten, Müßiggänger, die an Ecken stehen, sich an Mauern lehnen und scheinbar nur die Zeit tot schlagen. Auf seiner Wanderung hat er zahlreiche Bilder aufgenommen, alltägliche Szenen, Kleinigkeiten am Rande, Wohnhäuser, Absteigen, Restaurants, mächtige Hängeschlösser vor eisenbeschlagenen Türen oder die Schaufenster von Geschäften. Als er vor einer hübsch dekorierten Boutique stehen bleibt und die fremdländischen, leicht angenagten Schaufensterpuppen aufnimmt, kommt die Besitzerin aus dem Laden geschossen und stellt ihn zur Rede. Was ihm einfiele, ihr Schaufenster aufzunehmen, ihre Ideen zu klauen, ihre Mode zu kopieren. Beschuldigungen und Beschimpfungen prasseln auf ihn ein. Als er endlich auch zu Wort kommt und ihr sagt, dass das alles nicht zuträfe, dass er ein harmloser Tourist sei, dem nur die exotischen Puppen so gefallen und der mit Mode nichts im Sinn habe, beruhigte sie sich rasch. In einem klärenden Gespräch erfährt er, dass es Gang und Gäbe sei, die Fenster der Konkurrenz auszuspionieren und gute Ideen zu übernehmen. Dass das Fotografieren von Menschen in diesem Land nicht unproblematisch ist, hatte er schon mehrfach gemerkt, wenn er böse Blicke erntete oder abrupte Abwendungen, sobald er die Kamera auf Menschen richtete. Dass aber auch das Fotorafieren von Gegenständen, von toten Sachen problematisch sein könnte, hat er bisher nicht gewusst. Bei den Menschen hat er sich angewöhnt, die meisten Bilder mit dem Teleobjektiv aus sicherer Entfernung zu machen. Das ersparte zwar Ärger, aber meistens sah man es den Bildern an, weil die direkte Nähe, der unmittelbare Kontakt zu den „Opfern“ fehlte. Viele Bilder machte er aus dem Fenster des Busses, eine andere probate Möglichkeit sich den Menschen hier fotografisch zu nähern. Den Menschen, die ihn wegen ihres Aussehens, ihrer Exotik, ihrer Einmaligkeit oder ihrer Schönheit reizten.
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