Im Schlosspark

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Im Schlosspark

Im Schlosspark

Alina Soleil

„Knutschen?“
„Knutschen.“
„Wieso habe ich gerade den unbestimmten Verdacht, dass du mich verarschen willst.“
Eva steht lachend auf und ergreift meine Hand. „Komm schon, Angsthase, alles wird gut! Vertrau mir. Mir ist grade so romantisch und was gibt’s da Schöneres als einen barocken Schlosspark, den wir nur für uns alleine haben?“

Ich gebe auf. Gegen Evas wilde Lebensfreude bin ich machtlos. Der anständige Lutz in mir packt im übertragenen Sinn seine Sachen, während mir der unanständige metaphorisch auf die Schulter klopft.

Vom Marktplatz biegen wir ab in Richtung des barocken Jagdschlosses aus dem 17. Jahrhundert, vor dessen schmiedeeisernen Toren die Fußgängerzone endet. Das Schloss ist überregional bekannt, doch sein eigentlicher Stolz ist der weitläufige Park, der jährlich Hunderttausende Besucher anlockt.
Aber heute Mittag ist kaum jemand hier. Als wir den Platz vor dem Schloss erreichen, kommen uns lediglich ein paar vereinzelte Besucher entgegen. die den Garten wohl noch rechtzeitig vor dem drohenden Gewitter verlassen wollen. Hinein möchte niemand mehr – außer uns natürlich. Was die Kassiererin, eine ältere Dame mit grell rot geschminkten Lippen, offenbar nicht verstehen kann. Sie schaut skeptisch über ihre halbmondförmige Lesebrille. „Wolle ihr wärklisch noch in de Park gehe?“ fragt sie uns im breitesten Pfälzisch. „Ich mään wesche dem Unwedda, was se gemeldet han.“
„Klar wollen wir.“ Eva hält ihr zum Bezahlen ihre SmartWatch hin.
„Allahop, ihr müsst‘s wisse. Moi Geld isses ned.”
Kopfschüttelnd gibt sie uns zwei Tickets. Wir passieren den Eingang und überqueren zügig den endlos breiten Weg, der von der Schlosstreppe zu einer weitläufigen, gekiesten Fläche führt, vorbei dem großen Springbrunnen mit der meterhoher Fontäne in der Mitte. Zwei überdimensionale Hirsche aus Marmor stehen am Rand des Beckens. Ihnen gegenüber posiert ein halbnackter Jüngling mit Pfeil und Bogen, flankiert von barbusigen Frauen, die mit Obst gefüllte Schalen tragen. Götter der Jagd und der Fruchtbarkeit, nehme ich an.

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