Im Schlosspark

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Im Schlosspark

Im Schlosspark

Alina Soleil

Der ganze Park ist übersät mit solchen antiken Figuren, meist junge Frauen, bei denen die Bildhauer viel Wert auf gut sichtbare, weibliche Details gelegt hatten. Die leicht bekleideten Damen stehen an Wegkreuzungen und vor Ausbuchtungen und kleinen Nischen in Kirschlorbeer- und Thuja-Hecken. Ich vermute, dass es diese Nischen und Verstecke auch im Siebzehnten Jahrhundert schon gab. Denn in barocken Gärten hatte der Begriff Lustwandeln einen tieferen Sinn...

„Es ist tatsächlich kein Schwanz mehr hier“, sagt Eva und streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Na ja“, entgegne ich, „und was ist mit der Oma mit dem Kinderwagen, da drüben? Und dahinten, wo’s zum Buchsbaumlabyrinth geht, da hab ich eben auch noch Leute gesehen.“
„Ach was, die sind alle schon so gut wie weg“, erwidert Eva und schaut in den Himmel. „Haben Angst vorm Gewitter.“
Tatsächlich wirken die Wolken zunehmend bedrohlich. Fast wie im Zeitraffer haben sich hohe dunkle Türme gebildet, dicke, grauschwarze Walzen vor gelblich-grün schimmerndem Hintergrund. Schräg von der Seite zerschneiden einzelne Sonnenstrahlen die Wolken, was der Szenerie eine zusätzliche Dramatik gibt. Wie auf einem barocken Gemälde von Rembrandt oder Rubens. Bis vor ein paar Minuten war es unerträglich schwül und drückend, aber jetzt kommt ein böiger Wind auf, der fast ein wenig Abkühlung und frische Luft bringt. Vielleicht verzieht sich das Gewitter ja doch noch oder geht woanders runter. Das wäre nicht untypisch für diese Gegend.

„Komm, lass uns gleich zum Römerpavillon gehen“, sage ich. „Da können wir uns zur Not auch unterstellen.“
„Hatte ich ja eh vor,“ erwidert Eva und lächelt hintergründig. „Ich sag nur: unser Geheimversteck...“
Der Pavillon heißt übrigens so, weil er einem römischen Tempel nachempfunden wurde, mit runder Kuppel, wie eine kleine Kopie des Pantheons. Er wurde gleich als Ruine gebaut und auf einem künstlichen Hügel errichtet, der mit Schotter und Vulkansteinen aus Italien aufgeschüttet wurde.

Was Eva „unser Geheimversteck“ nennt ist ein unzugängliches, vor neugierigen Blicken gut geschütztes Fleckchen Erde unweit des Pavillons. Er war in barocken Zeiten so etwas wie ein Bauhof, mit Steinen, Säulen, Vasen und geparkten Putten. Man findet den überwucherten Zugang zu dem Ort (wenn man weiß, wie) hinter einer römischen Statue, versteckt hinter Hecken und Sträuchern.

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