Im Schlosspark

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Im Schlosspark

Im Schlosspark

Alina Soleil

Für einen Samstagnachmittag sind nur wenige Passanten unterwegs. Vermutlich ist es den meisten zu heiß und sie chillen auf ihren Balkons oder in ihren Gärten. Oder sie stapeln sich im städtischen Freibad. Auch im H&M ist nix los. Außer einer gelangweilten, Kaugummi kauenden Verkäuferin sind kaum Kunden zu sehen. Wir fahren mit der Rolltreppe hoch in den zweiten Stock, wo es neben Sportbekleidung, Pyjamas, dem ganzen Accessoire-Kram wie Hüte, Sonnenbrillen, Gürtel und Modeschmuck auch die Dessous gibt.

Ich habe bis heute nicht verstanden, nach welcher Logik Eva Kleider kauft. Wer mal über längere Zeit einer Honigbiene zugeschaut hat, wie sie nach Nektar sucht, der hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie sich Eva durch einen Kleiderladen bewegt. Ich bin ihr gefühlt schon hunderte Kilometer hinterhergedackelt, aber es ist mir nicht gelungen, ihre Strategie zu durchschauen. Möglicherweise ist das aber auch gar nicht möglich, weil ein Zufallsgenerator die Kontrolle über ihre Beine übernimmt, sobald sie die Warensicherungsantennen hinter der Eingangstür zu einem Kleiderladen passiert hat.

Inzwischen mache ich es mir viel einfacher. Ich suche mir ein Plätzchen in der Nähe der Umkleiden, wo ich warte, bis sich mein Honigbienchen mit ihrer Ausbeute dort einfindet. Heute ist sie übrigens ziemlich fix. Ich habe kaum die Spielstände der Samstagspartien der Bundesliga gecheckt, da kommt Eva auch schon angeschwirrt. Sie hat ein weißes Dessous dabei, ein paar sexy Höschen (Modell Zahnseide) und ein dunkelblaues Nichts aus feiner Spitze.

„Hier, halt mal.“
Sie drückt mir das blaue Spitzenteil in die Hand und verschwindet mit den anderen Sachen hinter dem Vorhang der erstbesten Kabine. Außer uns ist im Moment niemand hier. Wobei – das stimmt nicht ganz. Es sind keine Kunden hier, aber ein paar Schritte von den Umkleiden entfernt sortiert eine Bedienstete Kleider auf diverse Stapel.

Nachdenklich schaue ich mir das blaue Dessous an. Ein Wirrwarr von Schnüren und Bändern, dazwischen durchsichtiger Stoff mit ein wenig Spitze. Keine Ahnung, wo hinten und vorne ist, oder unten und oben. Während ich noch so vor mich hin rätsele, wie man das Ding überhaupt anzieht, bevor man’s wieder auszieht (oder sonst was damit anstellt), höre ich Eva aus der Kabine rufen: „Lu-hutz! Kannst du mal kurz kommen? Ich bräuchte deine Hilfe.“

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