Im Schlosspark

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Im Schlosspark

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Alina Soleil

„Kann man euch irgendwie helfen?“ schallt es plötzlich von draußen. Vor Schreck hätte ich beinahe meine Zunge verschluckt. Wir verharren mitten in der Stoßbewegung. Mein Puls rast wie wild. Geistesgegenwärtig greift Eva hinter sich, angelt das blaue Nichts vom Haken und ruft, ein wenig außer Atem „Ja, bitte! Könnten Sie mir ... das ... äh ...eine Nummer größer besorgen?“ Sie lässt mich aus sich rausflutschen, schiebt den Vorhang einen winzigen Spalt zur Seite, und hält das Dessous mit ausgestrecktem Arm nach draußen. Während sie darauf wartet, dass ihr die Verkäuferin das Teilchen abnimmt, lächelt sie mich frivol an und legt den Finger auf die Lippen, um mir zu signalisieren, dass ich jetzt bloß keinen Mucks machen soll. Als hätte sie mich extra darauf hinweisen müssen! Gott ist mir das peinlich. Wie ich da stehe, nur durch einen dünnen Vorhang von der Außenwelt und der größtmöglichen Bloßstellung getrennt, mit heruntergelassenen Hosen, aufgerichtetem Schwanz und hochrotem Kopf. Nichts wäre schlimmer, als in der Umkleidekabine im H&M beim Sex erwischt zu werden. Aber Evas Ablenkungsmanöver scheint zu funktionieren. Die Verkäuferin nimmt ihr das Teil aus der Hand und macht sich tatsächlich auf den Weg zu den Dessous.

„Meinst du, sie hat was gemerkt?“ flüstere ich.
„Ach quatsch“, antwortet Eva, für meinen Geschmack eine Spur zu laut. „Klar, die hat mitgekriegt, dass ich nicht allein in der Kabine bin. Die hat vielleicht gedacht, wir wollen was klauen oder so. Oder ein bisschen rumknutschen. Schlimmstenfalls.“

So richtig überzeugt mich das nicht. Mein Pimmel hat wegen des Schockmoments den Rückzug angetreten und so verstaue ich ihn schnell wieder in meiner Cargo-Hose. Ich zähle innerlich bis zehn, dann frage ich: „Ist sie weg?“
Eva linst durch den Vorhang. „Jetzt ja, die Luft ist rein.“
Schnell schlüpfe ich nach draußen und versuche, mich möglichst unauffällig von den Umkleiden zu entfernen. Niemand beachtet mich. Meine Füße bringen mich zum Ständer mit den Hüten und Sonnenbrillen. Dort bleibe ich stehen und tu so, als würde ich nach einer Schirmmütze suche. Die Verkäuferin kehrt gerade zu den Umkleiden zurück und wirft mir im Vorübergehen einen kurzen Blick zu. Nicht freundlich, aber auch nicht anklagend – einfach nur leicht genervt. Kein empörter Stirnrunzler, kein missbilligendes Kopfschütteln., Vielleicht hatte Eva ja doch Recht, und sie hat tatsächlich nichts von unserer irren Nummer eben mitbekommen.

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