Im Tunnel von Eupalinos

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Im Tunnel von Eupalinos

Im Tunnel von Eupalinos

Anita Isiris

Dann hatte Elias eine Idee. Verlieren konnte er nichts, und die Schöne an seiner Seite würde ohnehin niemals ihm gehören und eines Tages wieder abreisen, da konnte er Aphrodite so oft anflehen, wie er wollte. Elias' Idee war der kilometerlange unterirdische Tunnel des Eupalinos, ein Aquädukt, der sich unter dem alten Hafen befand. Elias wusste als Strassenarbeiter, dass der Tunnel für lange Zeit gesperrt war, weil ihm, wie der Bürgermeister den Einwohnern glaubhaft versichert hatte, zu viele Touristen Schaden zufügen konnten. Im Sommer war der Tunnel warm und trocken, und es gab dort unten die eine oder andere Abzweigung, die mit elektrischem Licht erhellt werden konnte. Elias schlug Jana vor, dass er sie eines Tages dort unten malen könnte. Jana, in besonderer, historischer Umgebung, sich einem Kunstmaler hingebend, in einer fliessenden Bewegung, nackt natürlich, einer Ägäiswelle gleich, mit ausgebreitetem silberschwarzem Haar. Selbstverständlich behielt Elias diese gedankliche Ausformung für sich, er wollte die Frau, die sich so mutig neben ihn gesetzt hatte, keineswegs ängstigen. Aber er wolle ihr etwas schenken, sagte er ihr, etwas Einmaliges, das dazu beitragen würde, dass Jana Samos für immer in ihrem Herzen tragen würde. Dann blickte Jana auf ihre Uhr. Elias hatte den Moment kommen sehen, die beiden sassen schon viel zu lange zusammen, und schliesslich war Jana eine Ehefrau, und das reale Leben sollte sie zurückbekommen.

Sie warf den Kopf in den Nacken, lachte laut und quittierte so den kunstbeflissenen Vorschlag von Elias. Sie berührte ihn leicht an der Schulter, verabschiedete sich so, drehte sich um und erklomm die kleine Steintreppe. Elias blickte ihr nicht nach. Trauer überfiel ihn, er hatte sich bestimmt völlig ungeschickt angestellt. „Nordfrauen wohnt eben eine gewisse Kälte inne“, sagte er zu sich, rollte sein Badetuch zusammen und folgte Jana in einigem Abstand.

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Der Tunnel von ...

schreibt Huldreich

Liebe Anita Isiris! Wie immer, hinreißend und mitnehmend diese Geschichte, vielen Dank und liebe Grüsse Huldreich

Gedichte auf den Leib geschrieben