Im Tunnel von Eupalinos

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Im Tunnel von Eupalinos

Im Tunnel von Eupalinos

Anita Isiris

Mit seinen 26 Jahren war Elias noch immer jung, seine beiden Schwestern, Anita und Ramona, mit ihren 18 und 21 Jahren erst recht. Aber Elias erkannte für sich keine allzu grossen Lebensperspektiven. Er hatte sich zwar schon das eine oder andere Mal in eine der einheimischen Inselschönheiten verliebt, hatte die eine oder andere Brust berührt, die eine oder andere Hand gehalten. Aber zum äussersten war es nie gekommen, denn Elias' Herz, sein wahres, innerstes Herz schlug für die Touristinnen aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz.

Und dann, bevor er seinen Presslufthammer wieder anwarf, um den einen oder andern Riss zu verbreitern und ihn anschliessend mit wieder mit Bitumen aufzufüllen, sah er sie. Er würde sie Jana nennen, Jana aus dem unbekannten Norden, und er wusste auf Anhieb, dass Jana ihn in seinen Träumen begleiten würde, wohin ihn diese Träume auch führen würden. Jana trug ein malvenfarbenes Jäckchen, wegen des Windes, der auf dem kleinen Flughafen herrschte, und sie trug ein knielanges rotes Sommerkleid mit hellblauem Blumenmuster auf der Rückenseite. Jana, wie er sie nannte, trug an ihrer linken Fessel ein Fusskettchen, und schon nur der Gedanke, dass dieses Fusskettchen an den Knöcheln seiner imaginären Jana, deren echten Namen er wohl nie kennenlernen würde, rieb, reizte ihn bis in die Haarspitzen. Elias hätte alles, wirklich alles dafür gegeben, an des Fusskettchens Stelle sein zu dürfen, auch in der leisen Hoffnung, die er sich allerdings kaum einzugestehen wagte, aus dieser Position heraus ab und zu einen Blick unter Janas Kleid zu erhaschen. Die Füsse der Frau steckten in eleganten Espadrilles, und Elias verdrängte mit aller Macht die Tatsache, dass neben Jana ihr Partner oder Ehemann einher ging, mit grimmigem Gesicht, einen Rollkoffer schiebend. Mit einem Seufzer öffnete Elias seine Evian-Flasche, tat einen kräftigen Schluck und arbeitete weiter.

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Der Tunnel von ...

schreibt Huldreich

Liebe Anita Isiris! Wie immer, hinreißend und mitnehmend diese Geschichte, vielen Dank und liebe Grüsse Huldreich

Gedichte auf den Leib geschrieben