Im Zwielicht seiner Wohnung

Und wie ich ihn dann einfach einladen würde – vielleicht nur, um die Tasche bis in die Küche zu tragen, so würde ich es mir selbst gegenüber rechtfertigen.
Meine Augen glitten über die Einkäufe, die noch unberührt auf dem Flur lagen. Ja, ich wollte mich nicht um sie kümmern, sondern meinen Gedanken freien Lauf lassen. Und da war er auch schon wieder da. Mein Nachbar. Der die Tasche nicht einfach abstellte, sondern über die Schwelle trat. Mit einem Kommentar, beiläufig, wie immer. „So viele Treppen für heute, ich brauch ein Glas Wasser.“ Oder: „Sieht gemütlich aus bei Ihnen.“
Und ich ließ ihn hinein. Natürlich ließ ich ihn hinein.
Es ist so still in meiner Wohnung, niemand ist noch zu Hause. Es ist so leicht, mir vorzustellen, wie er hier wäre. Wie er wie selbstverständlich in meiner Wohnung den Raum einnehmen würde. Ich sehe ihn den Flur entlang gehen, diesen geraden Rücken, diesen selbstverständlich-selbstbewussten Gang. Das beiläufige Abstreifen seiner Schuhe, als wäre es das Natürlichste, überall willkommen zu sein. Ich spürte förmlich die Kraft seiner Hände – noch gar nicht auf mir, sondern einfach nur in der Art, wie er Dinge anfasste: das Glas, das ich ihm anbot, den Türgriff, den er drückte, die Lehne des Stuhls, den er zu sich zog, um sich zu setzen.
Es war absurd, ich wusste das. Aber ich wollte genau dies. Ich wollte nicht allein sein, sondern ihn die Wohnung und noch viel mehr einnehmen lassen.
Also schloss ich die Augen, und schon war ich nicht mehr allein im Flur, die Hautarbeit nicht noch zu erledigen, die Müdigkeit weg.
Da war nur noch er, dieser junge Nachbar, den ich kaum kannte, und die Möglichkeit, dass er geblieben wäre.
Doch nein, etwas passte nicht. Nicht hier.
Ich wollte mir nicht vorstellen, dass er bei mir wäre, zwischen Schultaschen im Flur, dem Geruch von frisch gewaschener Wäsche und meinem Ehemann, der in den Fotos an der Wand noch immer präsent war.