Die Einkaufstüten hingen an mir herunter wie zwei bleierne Gewichte. Wer wie ich den Familieneinkauf zu Fuß erledigt, der braucht wahrlich keinen anderen Sport mehr zu machen. Natürlich war auch der Schlüsselbund nicht in der Manteltasche, in welche ich automatisch greifen wollte, sondern in der anderen – und noch dazu irgendwie verhakt. Schließlich schaffte ich es doch noch, die Tür aufzusperren. Ich seufzte, mehr zu mir selbst als zur Welt, und kickte mit dem Fuß gegen die Haustür, damit sie sich weiter auftat.
„Warten Sie, ich helfe Ihnen.“
Seine Stimme kam so plötzlich, dass ich mich überrascht umdrehte. Da stand er, mein oberer Nachbar. Dunkle Jeans, ein graues T-Shirt, das sich wie selbstverständlich an seinen Oberkörper schmiegte, ohne zu gewollt zu wirken. Er trug nichts in den Händen, was wohl auch die Normalität für alle ist, die nicht Mutter sind.
Er lächelte mich an – dieses unkomplizierte, selbstsichere Lächeln, das Männer haben, die wissen, dass es ankommt. Ich bemerkte, wie entspannt seine Schultern wirkten, und plötzlich, ohne dass ich wollte, auch die Kontur seiner Arme unter dem Stoff. Starke Arme – die aus Begeisterung für Sport und Fitness trainiert wurden und dadurch, schwere Dinge von A nach B zu schleppen, weil das Leben es so verlangte.
„Sieht schwer aus“, sagte er und deutete auf meine Tüten. Ich lachte gequält. „Geht schon irgendwie. Ich habe es ja schon fast geschafft.“
„Darf ich Ihnen dennoch helfen?“, fragte er charmant. „Wenn Sie erlauben, dann trage ich Ihnen zumindest eine Tüte hoch? Dann haben Sie’s leichter und für mich ist das wirklich kein Problem.“
Ich nickte, fast schon zu schnell. „Das wäre wirklich nett.“
Er nahm mir eine Tasche ab – ohne große Geste, selbstverständlich, wie jemand, der gewohnt ist, anderen das Gewicht abzunehmen.
Im Zwielicht seiner Wohnung
4 8-13 Minuten 0 Kommentare
Im Zwielicht seiner Wohnung
Zugriffe gesamt: 306
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.