Roald Petermichl verstaute schnaufend seinen schweren Koffer und betrat das Abteil. Er setzte sich ans Fenster und traute seinen Augen nicht. Die Zugpassagierin ihm gegenüber war nackt. Sie hatte die Beine übereinander geschlagen, so, als hätte sie etwas zu verbergen (und das hatte sie ja auch). Die Frau hatte die Arme vor den Brüsten verschränkt und blickte knapp an ihm vorbei. Sie war hübsch, die Frau, und ihr rötliches Haar schimmerte matt in der Abendsonne. Roald Petermichl konnte den Blick nicht von ihr lösen, was der Frau offensichtlich unangenehm war. Sie begann nervös mit dem Fuss zu wippen, als der Zug sich in Bewegung setzte. Roald Petermichl war 55 Jahre alt, verheiratet und hatte drei Töchter im Erwachsenenalter. Er arbeitete für eine Uhrenfirma und freute sich bereits jetzt auf die Zeit, in der er seinen Job an den Nagel hängen und sich ganz und gar seinen Hobbies widmen würde: der Aufzucht von Geranien und dem Eierwerfen auf der kleinen Waldlichtung hinter seinem schmucken Haus. Und jetzt das. Ob sie „da unten“ rasiert war? Verlockend schimmerten feine Härchen im Nabelbereich seines Gegenübers. Ihre Brüste? Birnenförmig (was er auch an seiner Frau so liebte), keck nach vorne stehend und sich der Schwerkraft verweigernd – oder prall und schwer? War sie vielleicht schwanger und verfügte über grosse, reizvolle Nippel? Seit Jahren hatte Roald Petermichl keine Erektion mehr gehabt, aber sein Gegenüber machte es ihm leicht. Nein, so, wie sie dasass, konnte er keine Details erkennen. Er konzentrierte sich auf ihre wohlgeformten Beine. Am linken Knie war, kaum sichtbar für Aussenstehende, eine feine weisse Narbe zu erkennen. Ob sie sich mal eine Sportverletzung zugelegt hatte, das arme Schätzchen? Roald Petermichl fuhr aus seinen Gedanken hoch, als der Kondukteur das Abteil betrat. Bestimmt, aber freundlich verlangte er die Fahrkarten.
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