Die tief stehende Abendsonne schickte ihr Licht durch die winzigen, grünlichen Butzensscheiben der Schenke. Hier an der Heerstraße vom Umstadt nach Eberbach, unweit des Beerfelder Galgens, waren der adelige Landsknechtführer und seine zwei Unterführer im Dorfkrug von Oberzent abgestiegen, während sein Haufen, 130 Landsknechte, mit ihren Zelten und dem Pfarranger am Bach vorliebnehmen mussten.
Der Gastraum war gut besetzt. Es waren viele Reisende unterwegs. Die meisten in den gedeckten, erdigen Farben, die die ständische Ordnung des Jahres 1518 dem einfachen Volk erlaubte, aber auch einige von Adel, die farbenprächtige Röcke und Beinkleider trugen. Als ein paar grobschlächtige Fuhrknechte – Salzfahrer aus Lüneburg - sich nach ihrem Mahl erhoben, sah man deutlich den Staub, der aus ihrer Kleidung aufgewirbelt wurde, in den letzten Sonnenstrahlen tanzen. In einer anderen Ecke hatten ein paar Kaufleute offenbar schon sehr dem Branntwein zugesprochen und waren in entsprechender Stimmung. Ein paar Dirnen hatten sich zu ihnen gesellt und eine hatte sich bereits ohne viel Federlesens mit gerafftem Kleid auf einem aus der munteren Schar niedergelassen. Es war offensichtlich, dass sie gerade ihrer Arbeit nachging, und dem Gesichtsausdruck des Handelsreisenden war zu entnehmen, dass er bald ein paar Groschen aus seiner Geldkatze für die getane Arbeit springen lassen musste. Der Wirt schaute dem bunten Treiben missmutig zu, schritt aber nicht ein, denn die reisenden Händler waren offensichtlich sehr zahlungskräftig.
Der Landsknechtführer, der seinem Freund Franz von Säckingen bei einer Fehde gegen die Stadt Worms beigesprungen war, befand sich auf der Heimreise an den Neckar. Noch während er an dem grob zusammengezimmerten Tisch zusammen mit seinem Leutnant und seinem Fähnrich aß, beobachtete er die Dirnen, die abwartend in einer weiteren Ecke der Gaststube nach Kundschaft Ausschau hielten. Die meisten waren grobschlächtige Bauernmädchen, drall und rosig und offenbar von schlichtem Gemüt. Sie unterhielten sich tuschelnd und kichernd und warteten auf ihre Gelegenheit.
In den Tiefen des Odenwaldes
Die wahre Geschichte - Teil 1
52 6-10 Minuten 2 Kommentare

In den Tiefen des Odenwaldes
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Lesende Ovation
schreibt rockroehre
Ein hervorragendes Stück, vielen Dank! @ Amorelio: Schlag mal besser die Bedeutung von »wohlfeil« nach.
schreibt Amorelio