In Dunklen Tagen

Tinas Geschichte - Teil 25

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In Dunklen Tagen

In Dunklen Tagen

Stayhungry

Fast wäre ich versucht gewesen, auf ihn zuzugehen und ihn zu umarmen, im Gefühl zu versinken wieder zusammen zu sein. Wie oft hatte ich ihn erlebt, diesen erotischen Moment, in dem alles wieder ganz einfach war, alles möglich, ganz nah, nichts zwischen uns, diesen Moment, der sich im Augenblick nicht leben ließ und doch so intensiv spürbar war – um dann nicht verwirklicht zu werden, sobald Zeit und Ort gefälliger waren, weil anderes wichtiger war, vergessen von einem der beiden, der sich nicht mehr daran erinnert. Und wie oft hatte ich ihn gefühlt, den Schmerz, der in mir blieb ab dem ersten Augenblick, in dem ich das Sterben der Gelegenheit vor ihrer Geburt erkannte und wie einen Tod eines Teils meiner selbst durchlitt.

Vor allem empfand ich tiefe Trauer darüber, dass in ihm kein Verlangen mehr gewesen war, gemeinsam zu suchen nach tiefen Gefühlen, Erregung, Begeisterung, dass keine Unruhe in ihm war zu erfahren, was denn in mir war an Sehnsucht, Hoffnung, Phantasie, Schmerz, Verletzung, Liebe, Wertschätzung, Lebens- und Liebeskraft.

Und nun? Was war es jetzt in mir? Was war es in ihm? Ich überlegte kurz, dann war ich stark.

Ich dich auch, sagte ich.

Ihn hatte ich am stärksten, nachhaltigsten, unbeschwertesten, zärtlichsten geliebt.

Hatte.

Nun war ich frei.

*

Ich erkannte den Mann am Tresen sofort, obwohl ich ihn fünfzehn Jahre nicht gesehen hatte. Juan war zurück. Wir standen uns gegenüber nach so vielen Jahren. Ich hatte kämpfen müssen, um mich seiner Herrschaft zu entziehen, aber ich hatte es geschafft. Ich hatte meine Liebe überwunden und die Demütigung durch ihn und meine Selbstachtung hatte ich wieder gewonnen. Ich war ganz unten gewesen, hatte mich verloren und neu gefunden. Meine Befreiung war ein Sieg über ihn und mich selbst gewesen und am Ende dieses Abstiegs in die Hölle war ich stärker als je zuvor. Er war älter geworden.

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