Ich verspürte keine Angst, aber ich weiß nicht, ob das auch so gewesen wäre, wenn ich ihm allein privat so gegenübergestanden wäre. Dazu strahlte alles zu viel vom dem aus, was mir auch wirklich Qualen verursacht hatte. Doch hier, in Agnes Reich, mit den beiden Priesterinnen der Lüste an meiner Seite, fühlte ich mich sicher.
Ich konnte nicht anders, ich musste von seinem attraktiven, kantig-männlichen Gesicht über seine nackte, spärlich behaarte, muskulöse Brust hinab zu seinem erigierten Glied sehen und zurück und wieder hinab. Ich wollte nicht glotzen, aber seine Aufmachung war so anziehend, so verheißungsvoll, so ästhetisch, dass ihn zu betrachten schon erotisches Erlebnis genug war. Was ich in meinem bisherigen Leben meist als Reflexion der männlichen Empfindung erfahren hatte, wenn ich so angesehen wurde, empfand ich zum ersten Mal uneingeschränkt selbst. Natürlich hatte ich meine geliebten Männer mit Verlangen und Interesse angesehen. Aber niemals war es mir nur um meinen Akt des Betrachtens allein gegangen, schnell traten die Männer dann begehrend an mich heran. Er aber war wie ich, er konnte es einfach zulassen, mit tiefem Empfinden betrachtet zu werden. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie meine beiden Begleiterinnen uns in einer Mischung aus Amüsement und Interesse beobachteten. Vermutlich kannten sie dieses Spiel der Begegnung mit unvermittelt aufschießendem erotischem Feuer. Melancholie, sinnliche Spannung, hingebungsvolles Warten, unser gegenseitiges Mustern hatte nichts eines Zweikampfes, wie es damals mit Juan gewesen war. Er strahlte Kraft und unverhohlenes Interesse aus, aber sein körperlich unzweifelhaft vorhandenes Verlangen – stets lugte ich auch nach unten, es war erstaunlich, aber seine Erregung ließ in der Tat nicht nach – ließ ihn nicht tätig werden.
In Dunklen Tagen
Tinas Geschichte - Teil 25
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