So machte sich Long John eines Sonntagmorgens auf den Weg zum Bäcker. Auch in dessen Backstube hatte er Lenka schon projiziert – in der Vorstellung, er würde, gemeinsam mit dem Bäcker, Lenka ausziehen, sie mit Mehl bestäuben, Eier über ihr aufschlagen und sie so richtig durchnudeln. Er hätte nicht zu sagen vermocht, wie viele Orgasmen ihm diese Fantasie schon beschert hatte, unten, im Keller, auf der fleckigen Matratze. Long John betrat den Laden und grüßte die immer gut gelaunte Bäckerstochter Elisa. Elisa war womöglich nicht die Hellste und grinste oft versonnen in sich hinein, aber sie verfügte über die größten Brüste, die jemals über den Erdboden getragen worden sind. Bestimmt hatten sich schon viele Männer an ihr verlustiert, stellte sich Long John vor – aber er hätte auch dann verzichtet, wenn Elisa sich nackt vor ihn hingestellt hätte. Long John begehrte Lenka.
Elisas Gesicht hellte sich auf, als sie Long John erkannte. Sie wusste, dass ihr Vater ihm etwas schuldig war, seit er eine der Knetmaschinen wieder auf Vordermann gebracht hatte. Folgerichtig zeigte Long John mit charmantem Lächeln auf zwei Berliner und vier Vollkornbrötchen. Elisa packte sie ihm ein und überreichte sie dem älteren Herrn mit einem Lächeln.
Gut gelaunt verliess Long John die Bäckerei und machte sich auf den Weg zu Frau Huber. Diese überliess ihm zwei Mal die Woche ihr Badezimmer, weil Long John für sie Besorgungen erledigte. Frau Huber war blind. So konnte sich Long John ungeniert ausziehen, sich in die Wanne stellen und den Kellerstaub wegduschen. Long John war zwar arm, aber er achtete auf Körperpflege. Er nutzte sogar Frau Hubers Body Lotion, ihr Shampoo, und sein eigenes Rasierzeug, das er in Frau Hubers Badezimmer aufbewahrte. Sie wusste nicht einmal etwas davon. Sie sah auch nicht, wie sich ihre Shampooflasche leerte. Long John besorgte ihr einfach eine Neue, sobald das notwendig wurde.
Er summte leise vor sich hin und liess den Duschstrahl auf sich hernieder prasseln. Besondere Aufmerksamkeit erhielt auch sein Freund, Long John. Er gönnte ihm eine Extraportion Shampoo und spielte mit ihm. Hätte Frau Huber das mitbekommen, hätte sie das Badezimmer wohl schreiend verlassen, denn Long Johns Long John nahm gigantische Ausmasse an. Aber sie sass still lächelnd und ahnungslos im Wohnzimmer, vor dem Fenster, und stellte sich vor, wie der junge Mann in ihrem Bad sich pflegte. In Frau Hubers Bewusstsein war Long John ein junger Mann. Über sein wahres Alter hatte er sie nie aufgeklärt.
Long John beendete sein Spiel kurz vor dem Abspritzen, entstieg der Wanne, trocknete sich ab und stellte im Badezimmer mit Genugtuung fest, dass er zu den Menschen gehörte, mit denen das Alter es gut meinte. «Eigentlich ganz attraktiver Kerl», murmelte er zufrieden zu sich selbst, bedankte sich bei Frau Huber, schnappte sich die Tüte mit den Bäckereiwaren und verliess ihre Wohnung.
Es war mittlerweile 10:00 Uhr, und Lenka drehte sich im Bett nochmals zur Seite. Freie Tage waren für sie rar; die Wäscherei, in der sie arbeitete, saugte ihr Personal sogar an den Wochenenden auf.
Dann setzte sie sich auf, streckte sich und sah mit Wohlgefallen an sich herunter. Ihr blaues Calida-Nachthemd stand ihr sehr gut ins Gesicht, und mit ihren 26 Jahren durfte sie sehr zufrieden sein mit ihrem Körper. Alles befand sich an der richtigen Stelle, und mit einem Mal verspürte Lenka brennendes Verlangen – nach einem Mann. Einem Mann, der mit ihr scherzte, einem Mann, der liebevoll durch ihr dicht gelocktes Haar strich, einem Mann, der ihre vollen Brüste bewunderte, einem Mann, der mit seiner Zunge ausführlich zwischen ihren Beinen zugange sein könnte. Lenka wurde sofort feucht, verzichtete aber darauf, sich einen «kleinen Tod» zu bescheren und ging ins Bad. Was ihr aus dem sizilianischen Badezimmerspiegel entgegen sah, war ein wahres Naturwunder. «Man sollte mich malen», flüsterte sie zu sich selbst, in einem leichten Anflug von Narzissmus. Aber jede Frau hat das Recht auf ein gewisses Mass an Narzissmus. Denn nur wer sich selbst liebt, kann anderen Liebe schenken.
Kaum hatte Lenka gepinkelt, schrillte ihre Wohnungstürglocke. Lenka zuckte zusammen, denn am Sonntag erhielt sie nie Besuch. Reflexartig zog sie ein Jäckchen über und öffnete die Tür einen Spalt breit. Einen Türgucker gab es nicht – aber eine dünne Metallkette diente als Sicherung vor bösen Männern.
Als sie sah, wer vor der Tür stand, erstarrte sie zuerst. Sie hatte Long John aus dem Augenwinkel schon mehrmals wahrgenommen und konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mann wie er in einem Keller lebte. In der Tat war er nicht unattraktiv und vermutlich einfach kriegstraumatisiert. Bestimmt hatte er das Land, das neutrale, schöne Schweizerland, in einer anderen Zeit ganz anders erlebt, als es sich heute, fünf Jahre nach dem Ende des dritten Weltkriegs, darstellte.
Lenka wusste, dass sie vor Männern auf der Hut sein musste. Nicht nur einmal wäre sie beinahe vergewaltigt worden, auf dem Nachhauseweg, immer kurz vor ihrem Wohnblock. Lenka war vorsichtig. Aber der Nachbar schien nichts Böses im Sinn zu haben – Lenka betätigte die Sicherungskette und liess ihn herein.
Nur mit Mühe verbarg Long John seine Erregung. Er stand in Lenkas Wohnung, und sie stand im Nachthemd vor ihm! Und was für ein Nachthemd das war! Azurblau! Echtes Calida! Und weil Lenka keine Pantoffeln trug und sie ihre Füsse soeben beim Pinkeln auf den kalten Steinfliesen abgesetzt hatte, standen ihre Nippel wie Bleistifte. Long John konnte den Blick kaum lösen. Nur ein wenig Stoff trennte ihn vom Elysium. «Ich… ehm… habe Dir etwas mitgebracht», sagte er mit rauer Stimme. Lenka sog den Brötchenduft auf, während Long John den Lenkaduft auf sich wirken liess. Ein Duft nach zarter Frauenhaut und Lavendelseife. Vor Begierde verlor Long John nahezu das Bewusstsein, aber er beherrschte sich. Es stand ihm fern, Lenka einfach so zu verschlingen. Er wollte eher versuchen, mit ihr in einen regelmässigen Kontakt zu kommen.
«Was für eine Überraschung» sagte Lenka und spürte mit einem Mal, wie hungrig sie war. «Was… verschafft mir… die Ehre?». «Es ist einfach Sonntag», sagte Long John prosaisch und folgte Lenka in die Küche. Unter dem Nachthemd zeichneten sich Lenkas Pobacken ab. Das ist ganz normal und bei allen Frauen so. Aber Long John sah die Farben des Regenbogens, und er sah Farben, die noch kein Menschenauge je geblickt hat. Lenkas… Arsch. Lenkas… geiler, geiler Arsch! Jetzt schon hatte sich für ihn der Besuch gelohnt, Lenka hatte ihm mit ihrem Lächeln, ihren steifen Nippeln und ihrem verheissungsvollen Hintern Traumstoff für zahlreiche Nächte auf der fleckigen Matratze gegeben.
Im Morgenlicht, das durch die Küchenluke schien, nahm sich Long Johns Physiognomie vorteilhaft aus – die Sonne zeichnete ihn weich und liess seine offensichtliche Begierde ein wenig verblassen. Lenka hatte sich neulich ein wenig Kaffee geleistet – sie ging haushälterisch damit um, damit er bis zum Monatsende reichte. Long John betrachtete ihre Finger, wie sie am Wasserhahn drehten, wie sie den sizilianischen silbernen Kaffeekocher öffneten und wie sie Kaffee einfüllten. Diese Finger… an seinem Long John… dieser meldete sich verlässlich, so, als hätte er vorne ein Auge. Der wacklige Küchentisch war bald belegt mit den Brötchen, den beiden Berlinern und zwei Kaffeetässchen. Long John, der geglaubt hatte, er hätte das Kommunizieren vor Jahren verlernt, stellte fest, dass einem bestimmte Talente verbleiben. Er entdeckte seinen Sprachwitz wieder, seine Sprache korrespondierte mit der von Lenka, und es entstand eine Atmosphäre der Vertrautheit. Lenka stellte fest, wie gepflegt Long John war – natürlich hätte er ihr Vater sein können, aber in ihrem Innern verlangte es sie nach etwas Gesellschaft. Lenka hatte sonst niemanden. Drei ihrer Freundinnen hatten die Neutronenbombe nicht überlebt.
Subtil pries Long John seine handwerklichen Fähigkeiten an – viel mehr hatte er nicht zu bieten. Es war Jahre her, dass er zum letzten Mal ein Buch gelesen hatte, Jahre her, seit er in einem Kino oder einem Theater gesessen hatte. Dabei war er kulturellen Veranstaltungen gegenüber keineswegs abgeneigt, aber die Armut hatte seine Kulturlust gewissermassen verschlungen, wenn auch nicht unwiederbringlich.
«Ich… habe ein Problem mit meinem Dachfenster im Schlafzimmer», sagte Lenka, auf Long Johns handwerkliche Fähigkeiten reagierend. «Es rinnt». «So kann doch keine Frau leben. Mit einem rinnenden Dachfenster», sagte Long John in seiner pragmatischen und stoischen Art. Bis dahin war es ihm gut gelungen, seine Erregung zu verbergen, wie er fand. In seinem Innern tobten mehrere Ozeane der Lust gleichzeitig, alle Satyrn und Faune dieser Welt waren hellwach und tanzten um die Wellen. Lenka stand auf und gab Long John ein weiteres Mal die Gelegenheit, ihre Arschbacken zu studieren, dieses Mal noch etwas ausführlicher, weil Lenka kurz an der Anrichte hantierte. Wusste sie, wie schön sie war? Dann ging sie in ihr Schlafzimmer; Long John folgte ihr und wäre vor Erregung beinahe über die Holzschwelle gestolpert. Der Raum, in dem Lenka soeben noch geschlafen hatte, duftete besonders. Es waren die Quadratmeter von Long Johns Begehrlichkeit, und hätte es nach Knoblauch und Fürzen gerochen, es hätte ihm nichts ausgemacht. Aber da war Veilchenduft, vermischt mit dem unwiederbringlichen Duft schlafender Frauen. Über Lenkas Bett hing ein Bild. «Frau am Fenster» von Salvador Dalì. Long John hatte das Bild vor langer Zeit einmal in Spanien bewundert – das Original, im Dalì-Museum. Das Bild ist in Blautönen gehalten und zeigt eine in sich versunkene Frau, im gestreiften Rock, mit nackten Unterschenkeln, aus einem Fenster in die Ferne blickend. Der Mittelpunkt des Gemäldes ist eigentlich der Arsch dieser rundlichen, jungen, leckeren Spanierin. Alles nur angedeutet. Aber die Streifen des Rocks über dem Hintern der Frau sind perspektivisch verzogen und lassen dessen Grösse erahnen.
Flink kletterte Lenka auf eine wacklige Holzleiter. Wusste sie, was sie da tat? Die Holzleiter stand allen Bewohnerinnen und Bewohnern zur Verfügung, wenn es etwa galt, Lampen aufzuhängen oder Tapeten auszubessern.
Als sie zuoberst stand, um Long John zu zeigen, wo das Holzleck war, nutzte dieser seine Sekundenbruchteilgelegenheit. Er stützte die Leiter und gab so vor, das Holzgerüst stabilisieren zu wollen. In Tat und Wahrheit riskierte er aber einen Blick unter Lenkas Nachthemd. Lenkas Oberschenkel! Und, Terra Incognita, Lenkas dunkel behaarte Vulva, perspektivisch, von unten. Long John atmete tief durch und spürte seine Sinne schwinden. Er hatte Lenkas Vulva geblickt. Würde er nun sterben, das Leben hätte sich gelohnt, bei allen Göttinnen dieses noch immer schönen Planeten. «Hey…», sagte Lenka und holte Long John wieder ins Leben zurück. «Ja… da kann man schon was machen», sagte er heiser. Lenkas… Vulva! Unter dem azurblauen Calida-Nachthemd! Natürlich haben alle Frauen unter ihrem Nachthemd eine Vulva. Wie sollte es auch anders sein? Aber keine wie die von Lenka. Geziert von einem hübschen schwarzen Wäldchen…
Long John wusste: Er hatte mehr bekommen, als er erwartet hatte. Viel mehr. Er musste es nun langsam angehen lassen, er musste Lenkas Vertrauen gewinnen. Er wollte, dass ihr Gesicht, ihre grünen Augen, leuchteten, wenn er ihr an einem der kommenden Sonntage wieder Brötchen vorbeibringen würde.
Und irgendwann… bei allen Göttinnen, die diesen Planeten bis heute beschützen… irgendwann würde er an ihren Bleistiftnippeln spielen dürfen. Ihre Zunge schmecken. Ihre feuchte Spalte bespielen. Und, dann, endlich, seinen Long John eintauchen lassen in Lenkas Inneres.
Und es würde sich gut anfühlen.
Für beide.
In Lenkas Wohnung
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Dalí – Frau am Fenster
schreibt Venus