derart überwältigend waren diese ersten augenblicke, dass das eigentliche vorhaben ihr schlagartig aus dem sinn geriet. stattdessen stand sie einfach nur da, vollkommen still, das kühle messing des türknaufs in ihrem rücken, und ließ sich von den wellen der ehrfurcht umspielen, die das alte gotische gotteshaus in ihr auslöste.lediglich ihre blicke flogen aufgeregt umher, legten sich auf jedes detail, um auf diese weise das unfassbare ein wenig verständlicher werden zu lassen. obwohl nicht zum ersten mal in einer kirche, hatte sie etwas solch beindruckendes doch noch niemals zuvor gesehen.die ausmaße des gebäudes waren so gewaltig, dass sie glaubte, den großen altar, welcher sich am anderen ende des hauptschiffes befand, vollständig hinter der hand ihres ausgestreckten rechten armes verbergen zu können. das deckengewölbe ruhte auf mächtigen säulen, die sich an ihrem oberen ende in spitz zulaufenden bögen vereinigten und ihr das gefühl gaben, sich inmitten eines steinernen waldes zu befinden. dazwischen schließlich befanden sich die sitzbänke, die augenblicklich jedoch von nur wenigen menschen belegt waren. der nächste gottesdienst, so stand es auf dem hinweisschild am eingang, würde erst in etwa einer stunde beginnen.links und rechts an den wänden hingen in langen reihen verschiedene gemälde, zwischen denen offensichtlich ein zusammenhang bestand, denn sie zeigten dieselbe person an verschiedenen orten. die motive boten zum teil sehr drastische folterszenen und sie fragte sich, was dieser arme mensch wohl verbrochen haben musste, derart grausam bestraft zu werden.unterbrochen wurde die anordnung von jeweils zwei nischen im mauerwerk, innerhalb derer sich offenbar winzige kapellen befanden, die, jede für sich, ebenfalls einen entsprechenden altar besaßen. diese waren offenbar besonderen heiligen gewidmet, denn davor waren opferkerzen entzündet worden.als sie schließlich die beichtstühle entdeckte, kam ihr mit einem mal wieder in den sinn, weshalb sie sich ursprünglich auf den weg hierher gemacht hatte. vier wochen waren inzwischen vergangen, seit ihr auf einem empfang dieser außerordentlich attraktive mann begegnet war. sofort fasziniert von seiner charmanten ausstrahlung hatte sie nichts dagegen einzuwenden gehabt, sich während des restlichen abends von ihm hofieren zu lassen und war ihm, ganz entgegen ihrer sonstigen art, am frühen morgen in sein schlafzimmer gefolgt.derart zügig, dass sie es heute noch kaum glauben konnte, hatte sich daraus eine leidenschaftliche beziehung entwickelt, die vor wenigen tagen darin gegipfelt war, dass er ihr einen beeindruckenden ring an den finger steckte – und sie ihn gewähren ließ.das einzige problem, so fand sie, war seine mutter. die alte dame schien ein wenig bigott zu sein und hatte sich deshalb, bevor es zu einem ersten treffen kommen sollte, einen beichtgang ihrer zukünftigen schwiegertochter ausgebeten – auf dass sie, so hatte er zitiert, sich mit offenen augen und reinem herzen gegenüber stehen könnten. ob dieses ansinnens einigermaßen überrascht, hatte sie nach kurzem zögern schließlich eingewilligt. zu bedeutsam war ihr mittlerweile die nähe jenes mannes, als das sie diese durch einen anfall von kindischer widerspenstigkeit gefährden wollte. sollte dieses weib vorerst ihren willen bekommen, sobald er ganz ihr gehörte, würde sie sich gegen derartige marotten zu wehren wissen.
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