Ina und die Querflöte

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Ina und die Querflöte

Ina und die Querflöte

Anita Isiris

Der Dörrfisch, den sie selber getrocknet und mit Meersalz gewürzt hatte, war sehr lecker, vor allem auf dem Brotlaib. Dazu trank Ina frisches Quellwasser und war glücklich. Die Zeit schritt voran, und Ina war bewusst, dass sie noch bei Tageslicht zurückkehren musste. Warme Sonnenstrahlen küssten den Fels vor ihr, und es war nun endgültig an der Zeit, dass sich ihre Lippen, ihr Gaumen und ihr Atem mit der Querflöte vertraut machten. Ina blies erst zaghaft, dann kräftiger, und sie entlockte der Flöte nach einer halben Stunde einen ersten warmen Ton. Im Kopf und vor allem im Herzen der sensiblen jungen Frau machte sich dieser eine Ton selbständig. Er spielte mit den bunten Steinen, hüpfte über die Felsen, tauchte in eine Meereswelle ein und kehrte zurück, direkt in Inas Herz. Nach weiteren zwei Stunden spielte Ina bereits einfache Melodien, aber sie fand nicht zu den Melodien, sondern die Melodien zu ihr. Sie flogen ihr einfach zu. Ina, die noch nie eine Musiknote gesehen hatte, erzeugte nie gehörte Klänge, die den noch nie gesehenen Farben der Strandsteine entsprachen. Ina strahlte vor Glück, denn endlich hatte sie eine Möglichkeit gefunden, ihre Seele fliegen zu lassen.
Nun würde sie den Farbsteinstrand jeden Tag besuchen, der Flöte immer kühnere Melodien entlocken, während der Meerwind unablässig ihr Haar streichelte.
Die Jahre zogen ins Land, Ina wurde zu einer wunderhübschen jungen Frau. Noch immer kümmerte sie sich um die alten Menschen im Dorf, noch immer war sie vom Farbsteinstrand fasziniert. Aber da regte sich etwas in ihrem Körper. Oftmals fühlte sich Ina leer, in ihrer Brust brannte Sehnsucht. So ergab es sich, dass sie in einer weiteren einsamen Vollmondnacht nicht einschlafen konnte. Verführerisch glitzterte neben ihr die Flöte, die über all die Jahre soviel Glück in ihr Herz gezaubert hatte.

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