Aus Anthropologie und Psychologie wissen wir, Erotik ist überbordendes, wildes Gefühl, das immer irgendwann eine Grenzüberschreitung verlangt. Leidenschaftlicher, kraftvoller, sogar harter Sex ist doch von vielen Menschen erwünscht, ja ersehnt! Wie verträgt sich das mit einer Verteufelung von allem in diesem Bereich aus der berechtigten Angst und der vielfachen Erfahrung von Übergriffigkeit und Nötigung? Warum diskutieren wir nur offen über so etwas, wenn echt was schief gegangen ist? Natürlich müssen die von Frauen klar geäußerten Grenzen: "Nicht so! Nicht jetzt! Nicht mit dir!" immer gelten. Aber sie lassen die Männer ratlos, denn: Was' an eigenem Gefühl, Verlangen, Träumen wird ihnen ohne moralische Abwertung noch zugestanden? Zu denen, die sich einfach darüber hinwegsetzen, möchten nach meinen persönlichen Erfahrungen jedenfalls die wenigsten gehören. Wir bräuchten deshalb ja gerade den offenen Diskurs über Begehren und Verlangen, über Dominanz und Unterwerfung in ihrer Komplexität. Eine devote Haltung wird üblicherweise mit Erniedrigung gleichgesetzt, aber ist sie in vielen Beziehungen nicht einfach in wildem Gefühl gelebte Geborgenheit, grenzenloses Vertrauen und erfüllte Intimität – also das exakte Gegenteil dessen, als das sie verstanden wird? Dies in allen Nuancen zu durchschauen, um Selbstbestimmung und Achtung voreinander zu ermöglichen und die kraftvollen Impulse unserer Existenz zu feiern und nicht zu eliminieren, ist eine der großen gesellschaftlichen Aufgaben.
Aber, Mrs Westbrooke, postulieren Sie damit nicht die Aufgabe jeglicher Intimität? Alles exhibitionieren zu müssen, wäre doch auch eine massive Einschränkung der Selbstbestimmung!
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