Isabella

Agnes' Haus der sündigen Engel

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Isabella

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Stayhungry

Als er sich mit seiner Frau umschlich, war er sehr zögerlich, hatte Angst, dass sie im sinnlichen Leben sensibler sein könnte, als er es war. Da er unrettbar entbrannt war, gab es kein zurück. Er konnte sich nur vornehmen, vorsichtig zu sein, sein wildes Drängen sollte sein Glück nicht zerstören. Seine Sorge war unbegründet. Sie war ein stilles Wasser, das tief gründete und wilder war, als man im Alltag erahnen könnte. Ihr konnte er nichts Neues offenbaren, sie hatte alles mit ihrem Ex schon erlebt, der ihm in sexueller Hinsicht sehr ähnlich sei – interessant, denn sie beide könnten im sichtbaren Leben nicht unterschiedlicher sein. Bedauerlicherweise hatten die Jahre ihre Begeisterung schwinden lassen. Damit hatte er schwer gerungen, auch Streit angezettelt, aber sie war stark genug, sich nicht verbiegen zu lassen. Darunter hatte er sehr gelitten, aber er schätzte auch, was war, denn die erotische Begegnung ist letztlich eine tiefe Begegnung zwischen zwei Menschen – das ist etwas anderes als Sex und Trieb. Dennoch, irgendwann kam das bekannte Ende vom Lied. Sie forderte Treue ein, ohne das aus tiefstem Herzen für sie Bewahrte zu schätzen oder gar herbeizusehnen. Seinem Werben schwand zunehmend der Charakter des Selbstbewusstseins, und damit wurde es mehr und mehr zu armseliger Bettelei und die Erhörung wandelte sich von Hingabe zum, im wahrsten Sinne des Wortes, Gnaden-Akt.

In Verwandtschaft, Bekanntenkreis und Nachbarschaft wurden jene Männer geschmäht, die in gleichem Elend dem Reiz einer neuen Liebe dankbar erlagen. Wenn die Frauen verblühen, verduften die Männer, hieß es, und damit war die moralische Bewertung plausibel erklärt. Dass so manchen von jenen die geliebte Gattin am ausgestreckten Arm verhungern ließ und sich in Sicherheit wähnte, weil dem einsam Leidenden tatsächlich lange Zeit nicht in den Sinn kam, die Liebe seines Lebens zu verlassen, das wussten wenige und unterstellte zu Gunsten der Delinquenten niemand. Niemand bekannte, wie wunderbar es sein müsste, einmal im Leben wieder umfassend begehrt, ersehnt, willkommen zu sein. Zu gefährlich wäre dies, zu aufschlussreich im Hinblick auf das Erlöschen des Feuers im eigenen Leben.

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Gedichte auf den Leib geschrieben