Joëlle und das Begehren

Die Memoiren des Dr. Jeanrenaud

15 8-13 Minuten 0 Kommentare
Joëlle und das Begehren

Joëlle und das Begehren

Anita Isiris

Ich musste eine Zeitlang suchen. Die Metrostation war komplett verwahrlost. So etwas hatte ich nicht einmal Paris zugetraut. Überall standen gebückte Fentanyl-Zombies, die ihre Habseligkeiten in Plastiksäcken mit dabeihatten. Die Wände waren mit rassistischen Sprüchen vollgesprayt, was mich überraschte. Schließlich wohnten diejenigen, denen der Rassismus galt, genau hier. Marokkaner. Kurden. Türken. Den Wohnblock von Joëlle und Bérand fand ich rasch. Der Lift war außer Betrieb. Alles andere hätte mich gewundert. Es handelte sich um eines dieser unsäglichen Gebäude, in denen die Wohnungen über den Balkon erreichbar sind. Es waren allerdings Balkone, die ihren Namen nicht verdienten. Es hätte mich nicht gewundert, wenn vor- oder hinter mir ein Teil des Betonbodens weggebrochen wäre. Auch hier: Graffiti überall. Die hinterste Wohnungstür führte zu Joëlle und Bérand.
Sie empfing mich in einem rosa Hausdress, der ihre Rundungen betonte. Joëlle zermalmte mit dem Kiefer einen Kaugummi, und sie formte daraus frech eine Blase. Auf mich wirkte das unsäglich obszön, und ich war sofort in Stimmung. Das Apartment war überraschend gut aufgeräumt; gestaubsaugt hatten die beiden anscheinend auch. Überall standen schlichte IKEA-Möbel, es handelte sich um eine archetypische Jugendwohnung, eine Pflanze da und dort, ein Tisch, an dem die beiden wohl aßen und lernten, an der Wand eine Großaufnahme von Billie Eilish.
„Danke, dass Sie gekommen sind.“ Bérand drückte meine Hand. Joëlle war offensichtlich sehr nervös; die saloppe Geste mit dem Kaugummi war bloß ein Täuschmanöver. Sie machte sich in der kleinen Küche zu schaffen, und ich musste mich beherrschen, meinen Blick nicht zu lange auf ihren runden, frechen Pobacken ruhen zu lassen. Wie Joëlle nackt aussah, wusste ich zwar. Sie war in den letzten Jahren zweimal zu einer Routinekontrolle vorbeigekommen. Sie sah aus, wie Frauen in dem Alter halt aussehen.
Für mich, als Frauenarzt, sind angezogene Frauen mittlerweile um ein Vielfaches erotischer. Das galt nun auch für Joëlle. Bérand schüttete Kekse von einer Dose auf einen Teller mit einem Blumenmuster. Dann setzte sich Joëlle direkt auf seinen Schoß. Bérand streichelte liebevoll ihren Bauch, was mich ungemein anmachte. Ich war sehr gespannt, wie die beiden aneinander zugange sein würden, mit mir als eingeladenem und somit komplett legalem Zuschauer. Joëlles Körper ging auf die Streichelbewegungen ihres Freundes ein. Langsam bewegte sie ihr Becken. Ihre Augen bekamen einen Feuchtglanz. Weiß der Teufel, was die beiden gerade getrieben hatten, während ich ihren Wohnblock gesucht hatte.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 4358

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben