Noch immer bewege ich mich in dieser Zwischenwelt, zwischen Himmel und Hölle. Gestern, man glaubt es kaum, bin ich einem ehemaligen Papst begegnet. Er ist auch hier. Es gibt Kräfte, die ihn in den Himmel zerren wollen, nämlich die all der gläubigen Katholiken, die in ihm das Oberhaupt der katholischen Sekte sehen. Andere Kräfte, und die scheinen etwas stärker zu sein, versuchen, den Papst in die Hölle zu zerren, dorthin, wo er meiner Meinung nach auch hingehört. So lange, bis er den Zehntausenden von Frauen, die von der katholischen Sekte noch vor wenigen hundert Jahren missbraucht, gefoltert und verbrannt worden sind, die Absolution erteilt. Solange das nicht passiert, schmort jeder verstorbene Papst in der Hölle. Die lebenden Sektenmitglieder haben davon keine Ahnung. Ich, Dr. Jeanrenaud, der ich seit meinem Tod durch eine Giftspritze in einem französischen Gefängnis in einer Zwischenwelt verharre, bin aber im Bild. Besser, als Ihr alle denkt. Aber nun zu meiner nächsten Memoire.
Sie handelt von der 20-jährigen Joëlle und von Bérand, ihrem Freund. Ihr erinnert Euch womöglich an die schwangere Emma, die zu meinen Lebzeiten meine Praxis aufgesucht hat. Ihr habe ich ebenfalls eine sehr schöne Geschichte gewidmet. Sie war mir sehr zugetan, die Emma. Allerdings war sie einen Moment lang irritiert, weil ich ihr während einer Untersuchung aus purer Lust einen Finger ins Arschlöchlein gesteckt habe. Wie Ihr wisst, ist meine Beziehung zum weiblichen Anus eher ambivalent. Er hat eine gottgegebene Funktion, der Sphincter, und er steht in enger Beziehung zum Rectum, zum Enddarm. Ein komplexer neurologischer Ablauf führt zur Defäkation, und das ist gut so. Für mich ist der Anus somit ein Aus- aber nicht ein Eingang.
Ich kann mich an zwei Berufskollegen erinnern, an einen Proktologen und an einen Viszeralchirurgen. Kreidebleich haben mir die beiden an einem Abend am Mont Martre, bei einem Bier, erzählt, sie hätten die abgefahrenste Operation hinter sich, zu der sie jemals beigezogen worden seien. Sie mussten einem jungen Mann einen MP3-Player herausoperieren, der im Rectum stecken geblieben war. Der Freak hatte sich erhofft, das kleine Gerät mit zwei eingebauten Lautsprechern könnte ihn vielleicht hochjagen, wenn er über die Fernsteuerung die Playlist mit den Drum'n Bass Nummern anspielte. Wummernde Bässe im Enddarm. Nun ja. Männer sind Männer.
Joëlle und das Begehren
Die Memoiren des Dr. Jeanrenaud
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Joëlle und das Begehren
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