Es überkam sie beide die Mattheit, aber nicht die Melancholie des Kleinen Todes. K. verblieb gestützt über sie, drückte noch schlaff in ihren Schoß. Johanna hatte die Beine noch um seine Lenden geschlungen und blickte gedankenverloren auf seine Schultern, seine Brust, seinen Bauch. „Überhaupt jetzt! Ich dachte, du hast kein Sixpack!“ stellte Johanna plötzlich im ernsten Blick auf seinen nackten Körper fest. „Vor zwanzig Jahren hatte ich kein Sixpack!“ knurrte K. mit ruhigem Stolz. „Du liest zu viel im Tagebuch deiner Mutter!“ raunte er ihr ins Ohr und biss sie ins Ohrläppchen. „Siehst du mich nur durch diese Brille?“ „Nein,“ grinste Johanna frech. „Fiel mir nur grad ein und war zu verlockend, dich ein bisschen zu ärgern! ls' aber eigentlich ein Kompliment!“ hauchte sie und zog ihn mit einem sanften Kuss nochmal ganz nah zu sich.
*
Mit minimaler Bekleidung auf Tour zu sein hieß bei der verschwitzten Funktionswäsche natürlich jeden Abend Handwäsche mit Feinwaschmittel aus der Tube und Aufhängen zum Trocknen. Johanna konnte dieses teuflisch sexy Zeug also nicht tragen und lief daher nackt herum im Hotelzimmer. K. störte das natürlich gar nicht, verlockte vielmehr zu nicht unbedingt folgenreichen, aber schönen Tatschereien mit Schmusen und Kissenschlachten. Zum Frühstücksbuffet würde sie vermutlich schon im Sportdress erscheinen. Aber heute Abend im Restaurant? Während K. in seinen Packtaschen neben Werkzeug und Regenbekleidung noch Platz für die allernötigste, lässige Abendgarderobe gefunden hatte, war ihm tagsüber schon ein Rätsel gewesen, wie Johanna diese Aufgabe lösen wollte mit diesem Nichts an Gepäck, das sie mit sich führte. Als er aus dem Bad kam, verschlug es ihm einmal mehr die Sprache. Johanna trug ein superkurzes, mit silbernen Pailletten besetztes, ärmelloses kleines Schwarzes, mit dem nach heutigem Stilempfinden die dick besohlten weißen Sportsneaker makellos harmonierten. Dieses hatte wohl zusammengerollt nur eine Handvoll Raum beansprucht. „Hast schon wieder einen Geist gesehen?“, lachte sie verschmitzt, küsste ihn frivol schmatzend auf die Wange und zog ihn zur Tür. „Ich hab' Hunger!“, erklärte sie energisch ihre Ungeduld und K. konnte hier nicht widersprechen.
Hand in Hand strebten sie zügig ihrem edel gedeckten Tisch im Panoramarestaurant zu und stießen mit dem zur Begrüßung angebotenen Aperitif an auf den schönen Beginn ihres Urlaubs. „Mal sehen, ob ich ihnen einen Fleck auf den schönen Stuhl mache“, flüsterte Johanna komplizenhaft über den Tisch geneigt. „Wie jetzt?“, fragte K. verständnislos. „Ja, bei dem wenigen Platz für Gepäck am Rennrad habe ich nicht auch noch einen Slip untergebracht! Und deine kleinen Kampfschwimmer bleiben ja nicht alle dort, wo du sie hin gepumpt hast!“ Jetzt musste sie laut lachen. Die Blicke von Personal und Gästen zog sie nicht nur deshalb auf sich.
Jede und jeder spürten, dass die beiden nicht bloß romantisch turtelten, sondern echt schwer verliebt waren.
Johanna und die Tour in die Berge
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Johanna und die Tour in die Berge
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