Das war so seltsam für mich, denn ich war selbst nicht treu gewesen und K. hätte ich umgekehrt bloß amüsiert ermutigt, weniger konventionell zu sein und das Leben zu genießen. Juan aber wollte ich nicht verlieren, ihn, den ich doch überhaupt nicht an mich hatte binden können. Ich war hin und her gerissen zwischen Wut und Verzweiflung, aber Rivalität spornt an, verleitet zunächst nie zum Rückzug.
*
Juan spielte Billard im ersten Stock einer halbwegs ordentlichen Kneipe. Von unten drang der Lärm vielstimmiger Unterhaltungen und halbwegs zurückgenommener Musik. Keine Bedienung kam hier rauf, man musste sich den Schlüssel holen und die Getränke dann eben auch immer. Juan hatte mich tatsächlich schon Bier holen geschickt. Und wirklich, ich holte es, einfach um ein paar andere Gesichter zu sehen als diese ernsten Strategen auf einem Stück Vlies. Ich langweilte mich. Hätte K. mich vor ein paar Monaten in so ein Lokal geschleppt, ich hätte ihm einen Vogel gezeigt und ihn einfach stehen lassen. Warum war ich mitgegangen? Vielleicht, weil ich eifersüchtig war auf die anderen Weiber, mit denen Juan es jetzt auch trieb. Das sagte er jedenfalls und wieso sollte es nicht wahr sein, auch wenn ich keiner begegnete?
Seine Mitspieler Marco, Joe und Tobi waren ruhige, umgängliche Typen. Dass Juan auch sympathische Freunde hatte, war mir neu, überhaupt dass er Freunde, also Kumpel hatte.
Marco, der jüngste, so alt wie ich, arbeitete in der Firma, in der Juan Ingenieur war. Aber er kannte ihn nur vom Sehen und gelegentlichen Billardspielen. Dass Juan meisterhaft Tango tanzte – meine Erklärung auf die Frage, wie der denn an so eine attraktive, deutlich jüngere Freundin käme – wusste er nicht. Juan sei ein Mann voller Rätsel, aber ein akzeptierter, kompetenter Chef, einer, den nichts aus der Ruhe brachte. Aha, dachte ich mir, er hat also viele Seiten.
Juan verfallen
Tinas Geschichte - Teil 15
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Juan verfallen
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