Jukebox

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Jukebox

Jukebox

Yupag Chinasky

Als er die halbdunkle Kneipe betrat und wohlige Kühle ihn umgab, entkam er zwar der brütenden Hitze des frühen Nachmittags, doch zugleich begann sein Verhängnis mit fatalen Folgen. Er atmete auf, stellte die schwere Fototasche und das Stativ auf die staubigen Fliesen des Fußbodens, auf dem das Sonnenlicht die Jalousien als regelmäßiges Muster abbildete und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Raum war leer, auch hinter der großen Theke war kein Mensch. Es musste aber jemand da sein, denn aus einer alten Jukebox tönte kratzend, leicht dissonant, ab- und anschwellend und manchmal aufjaulend eine Rumba. Eine angenehme Frauenstimme sang von einem Herz aus Kristall und dass viele Gefühle grausam verletzt wurden. Die Jukebox, eine Wurlitzer, ein prächtiges, vorsintflutliches Modell aus Holz, Glas und Metall, musste aus der selben Zeit stammen wie die alten Straßenkreuzer, die ihre Dienste notgedrungen immer noch verrichten mussten. In dem Glaskasten war ein Fächer echter, schwarzer Vinyl-Schallplatten, für die Auswahl der Titel, die auf einer langen, kaum noch lesbaren, handgeschriebenen Liste verzeichnet waren, gab es große, elfenbeinfarbene Druckknöpfe aus Bakelit und an der Frontseite blinkten bunte Streifen und Ringe auf einer beleuchtete Glasplatte. Das Gerät war aber entweder defekt oder auf Dauerbetrieb programmiert, denn es spielte immer nur den selben Schlager, hay corazon, corazon de cristal. Nachdem er das nostalgische Wunder ausreichend bestaunt hatte, setzte er sich in einen der ausgefransten Korbsessel und gab sich der einschmeichelnden, rauchigen Frauenstimme hin. Eine wohlige Müdigkeit überfiel ihn, er kuschelte sich tiefer in den Sessel, schloss die Augen, begann zu dösen und schlief schließlich ein.

Er wachte auf, weil jemand den Dauerbetrieb der Jukebox unterbrochen hatte. Die plötzliche Stille brachte ihn zögerlich zurück in das Leben. Er blinzelte und sah von diesem Jemand undeutlich die Füße vor sich stehen. Diese Füße waren dunkelbraun, ob wegen der Hautfarbe oder wegen des Straßenstaubs konnte er im Halbdunkel nicht erkennen, sie steckten jedenfalls in ausgetretenen Slippern, die früher einmal rosafarben gewesen sein mussten. Langsam wanderte sein Blick über die schlanken Fesseln und die strammen Waden hinweg zu halblangen, verwaschenen Jeans, die knapp unterhalb der Knie begannen, dann die immer breiter werdenden Oberschenkel und schließlich die ausladenden Hüften umspannten. Die Wucht dieser Hüften wurde durch Hände betont, die resolut in sie gestemmt waren. Sein immer noch schläfriger Blick verweilte für einige Sekunden auf einer ausgeprägten, senkrechten Falte, die in der Tiefe des Venusdreiecks entsprang und zu einem breiten Reißverschluss aus Aluminium führte. Dessen Metallbahn wurde durch einen Bauch gespreizt, der zwar nicht übermäßig dick, aber doch deutlich vorhanden war. Das obere Ende des Reißverschlusses wurde von einem geflochtenen Ledergürtel mit breiter Metallschnalle in Form zweier in sich gewundener Schlangen verdeckt. Hier endeten auch die Jeans und es begann viel nackte, eindeutig braune Haut, die sich bis zu einer überraschend schmalen Taille fortsetzte. Erneut verweilte sein Blick, diesmal auf den Händen, deren Daumen im Gürtel verhakt waren. Diese Hände, denen man ansah, dass sie zupacken und jede Art von Arbeit verrichten mussten, hatten kurze, stämmige Finger, an denen diverse silberne Ringe mit unterschiedlich großen Verzierrungen steckten. Die Nägel waren wohl irgend wann einmal dunkelrot lackiert worden, der Lack war jedoch abgeblättert und nur noch in Spuren vorhanden und an einigen Fingernägeln sah man deutlich, dass sie abgenagt waren. Bis zu dem Bauchnabel, der eine Handbreit über dem Gürtel, statt sich in einer Mulde zu verstecken, deutlich herausragte, war sein Blick allein durch die Bewegung der Augen gelangt. Um die Erforschung seines Gegenübers fortsetzen zu können, musste er nun den Kopf leicht anheben. Über der Taille weitete sich der Oberkörper dramatisch. Die ersten Rippen am Beginn des Brustkorbs waren gerade noch zu sehen, dann bedeckte ein straff sitzendes, leicht angeschmutztes, weißes T-Shirt die mächtige Brust, die breiten Schultern und die stämmigen Oberarme. Es schien ihm, dass dieses Kleidungsstück nur dazu da war, den tiefen Ausschnitt mit den üppigen Brüsten und den sich deutlich abzeichnenden Brustwarzen zur Geltung zu bringen. Auf einem der exponierten Hügel war mit glashellen Strassperlen „touch me“, auf dem anderen „me too“ gestickt. Eine weitere Anhebung des Kopfs war nötig, um den ziemlich kurzen Hals und schließlich den Kopf der Frau, die sich selbstbewusst vor ihm aufgebaut hatte, in sein Blickfeld zu bringen. Das Gesicht, umrahmt von halblangen, schwarzen Haaren, die mit einem Band undefinierbarer Farbe zusammengehalten wurden, war etwas plump und vulgär. Das Kinn wirkte energisch, die großen Lippen sinnlich. Die Nase war zu klein, die Stirn flach, die Backen und die Backenknochen wenig ausgeprägt. Schön, richtig schön, waren jedoch die Augen, tiefschwarze Augen, die den Mann, der im Korbsessel kauerte, mit einer Mischung aus Neugier, Vorsicht und Herausforderung anschauten.

Während des visuellen Abtastens, ja Abgrapschens aller Details des formidablen Körpers war er hell wach geworden, richtete sich endlich in seinem Sessel wieder auf und rückte seine verrutschte Brille zurecht. Er war zu dem Schluss gekommen, dass die Frau, die ihn geweckt hatte, zwar weder taufrisch noch besonders hübsch und schon gar nicht von einer fragilen Schlankheit war, die er schätzte, dass sie aber dennoch höchst attraktiv, faszinierend und irritierend war. Er schätzte sie auf Ende zwanzig und nahm angesichts ihrer milchkaffeebraunen Haut und ihrer leicht negroiden Gesichtzüge an, dass es sich um eine Mulattin handeln müsse. Allein aus diesem Grund, aber auch wegen ihrer ausgeprägten Körperrundungen, ihrer sexbetonten Kleidung, ihrer selbstbewussten Körperhaltung und ihrem forschen, fordernden Gesichtsausdruck, musste sie ein heißes Weib sein. Eine, die wie die Männer, auch immer nur das eine im Kopf hatte. Eine, die wollte, dass man sich an sie ranmachte.

Während er diese Überlegungen anstellte, glotzte er sie ziemlich dämlich an, verzog dann die Mundwinkel zu einer Art Lächeln, räusperte sich, weil seine Kehle nach dem Schlaf noch trocken war und begann zu erklären, dass er wohl sehr müde gewesen sein musste und deswegen und wegen der einlullenden Musik eingeschlafen sei. Dies mache doch nichts, war die Antwort, es täte ihr nur leid, ihn geweckt zu haben, ob er denn etwas zu essen und zu trinken wolle. Ja, sicher, ein Bier wäre schön, ein kaltes, wenn es das gäbe und, ja auch etwas zu essen, obwohl er bei der Hitze nicht viel Hunger habe. Als die Frau sich umdrehte und mit wenigen Schritten hinter die Theke ging, verfolgte er sie erneut mit seinem taxierenden Blick und fand ihre Rückseite, besonders ihren strammen Hintern, den wiegenden Gang und das Gewackel ihrer Pobacken genauso anziehend und aufreizend wie ihre Vorderfront. Sie holte aus einem uralten, großen Kühlschrank eine dunkelrote Dose Bucanero und goss das Bier in einen schweren Glaskrug, einen wahren Humpen, der ihm in dieser Umgebung völlig deplaziert vorkam und stellte ihn auf die Theke. Er war inzwischen aus seinem Sessel aufgestanden und hatte sich nach einem sehnsüchtigen Blick auf die Jukebox, auf einen der wackeligen Barhocker gesetzt. Das Bier war tatsächlich kalt und schmeckte vorzüglich. Während er es in kleinen Schlucken genüsslich trank, fuhr er fort, die Frau anzustarren, wobei seine Augen die Stellen fixierten, die ihre Weiblichkeit so ausgeprägt zur Geltung brachten. Die Angestarrte blickte zunächst herausfordernd zurück, konnte jedoch dem provokativen Blick nicht lange standhalten und wurde verlegen. Sie begann an ihrer spärlichen Bekleidung herumzuzupfen und verschwand schließlich mit der Bemerkung, sie wolle jetzt das Essen machen und er könne die Jukebox bedienen, in der angrenzenden Küche. Er wählte einen Titel, den er zu kennen glaubte, aber das Lied, das dann ertönte, war ihm völlig fremd.

Nach einiger Zeit kam sie zurück und stellte einen Teller mit frittierten Bananen, Reis, schwarzen Bohnen und einem undefinierbaren braun-roten Brei, der entfernt nach gebratenem Hackfleisch schmeckte, auf die Theke. Während er aß und ein zweites Bier trank, setzte sie sich neben ihn, kramte eine Schachtel Zigaretten und ein billiges, purpurrotes Plastikfeuerzeug aus ihrer Jeanstasche. Ohne zu fragen, ob es ihn beim Essen störe, zündete sie eine Popular an und blies ihm den Rauch, halb unüberlegt, halb provokativ in das Gesicht. Dann fragte sie ihn nach dem woher und wohin und was er hier, in dieser abgelegenen, gottverlassenen Gegend mache. Er deutete auf seine Fotoausrüstung und erklärte ihr, dass er seltene Blumen und Insekten fotografiere, die es nur hier gäbe. Daraufhin lachte sie und meinte, dass es ganz schön blöd von ihm sei, bei dieser Hitze im Freien herumzulaufen und Bilder von langweiligen Pflanzen und bescheuerten Käfern zu machen. Er solle doch lieber sie aufnehmen, sie sei ein viel schöneres Motiv und dabei lachte sie noch mehr, wohl wissend, dass es mit ihrer Schönheit nicht so weit her war. Es sei schon immer ihr Traum gewesen, einmal Fotomodell zu sein, seit sie als junges Mädchen eine Sendung über Modells im Fernsehen gesehen hatte, aber hier in diesem Scheißkaff gäbe es keinen Fotografen, ja nicht einmal einen Fotoapparat und Touristen, die ja alle Fotoapparate hätten, kämen nicht bis hier her. Er könnte ihr diesen Traum erfüllen, sagte sie dann mit Nachdruck und zeigte ihm, was ihrer Meinung nach ein Modell machen muss. Sie wiegte sich in den Hüften, reckte ihren Busen vor, leckte ihre Lippen und sah ihn verführerisch an. Er musste lachen, als sie so posierte, dann blickte er sie eine Weile erst abwägend, dann abschätzend an und versicherte endlich mit Nachdruck, dass er das sehr gerne machen wolle.

Nach dieser dringlichen Bitte ist für ihn die Sache klar, wie dieses unerwartete Shooting ausgehen wird. Er baut das Stativ auf, holt die Kamera aus der Tasche, setzt sie auf den Stativkopf, stellt Blende und Belichtung ein. Die Frau kramt unterdessen in ihrer Handtasche, die sie unter der Theke hervorgeholt hat, entnimmt Kamm, Handspiegel und Lippenstift und beginnt sich für die Aufnahmen herzurichten. Andere Kleider habe ich hier leider nicht, stellt sie bedauernd fest. Du siehst perfekt aus, genau richtig, versichert er, während er die ersten Probeaufnahmen macht, die Einstellungen korrigiert und dann noch den Blitz installiert, weil es in dem schattigen Raum doch zu dunkel ist. Er zeigt ihr die Bilder auf dem Monitor der Kamera. Sie ist begeistert, aufgeregt, ungeduldig. Der Monitor ist groß und die Bilder sind gut, nicht weil die Kamera teuer und das Objektiv von ausgezeichneter Qualität ist, sondern weil er als guter Fotograf sein Handwerk versteht.

Bevor er mit dem Fotografieren beginnt, die Frau ist schon ganz hibbelig, stellt er die Jukebox an. Musik dient der Entspannung, sagt er. Und wieder singt eine krächzende, aber einschmeichelnde Stimme von Liebe und Leidenschaft, von großen Gefühlen und ewiger Treue. Er arbeitet konzentriert und professionell: einige Totalen, mehrere Halbporträts, dann Vollporträts, von vorne, von der Seite, schließlich Details vom Gesicht, von den Haaren, von den Händen, dem Busen, dem Hintern, sogar von den rosa Slippern. Dazu hören sie immer neue Songs aus der Jukebox. Sie freut sich über jede Einstellung, zu der er sie animiert, beginnt aber bald eigenständig zu posieren. Sie besitzt fraglos ein natürliches Talent und hat gute Ideen. Tief lehnt sie sich über eine Sessellehne, so dass die hängenden Halbkugeln ihrer Brüste fast aus den hellblauen Körbchen des BHs fallen und er zwischen den Fleischbergen den fürwitzigen Bauchnabel fokussieren kann. Dann stellt sie sich aufrecht hin, reckt den Oberkörper vor, presst ihre Brüste mit den breiten Händen nach oben und leckt über das Dekollete. Als nächstes setzt sie sich auf einen Barhocker und spreizt die Beine so weit und so aufreizend wie eine steinerne Hindugöttin in einem Liebestempel, eine Hand steckt vorne in den Jeans, die andere liegt am Hintern. Sie gleitet von dem Hocker, legt sich auf den Boden und räkelt sich, die Sonnenmuster tanzen auf ihrem Leib, verführerisch wie die Schlange im Paradies. Ihr Blick ist selbstbewusst und stahlhart, ganz Domina, im nächsten Moment jungmädchenhaft, romantisch und verlegen, danach lasziv und sinnlich während sie mit heftig windender Zunge das Rot des Lippenstifts um ihren Mund herum verschmiert. Er fotografiert sie von vorne, von hinten, von der Seite, stellt sich auf die Theke, um ein Bild senkrecht von oben auf die handballgroßen, hochgeschnallten Hügel im push-up-BH zu schießen. Das bringt sie auf die Idee, sich selbst auf die Theke zu legen, umgeben von Flaschen, Gläsern und den noch nicht abgeräumten Tellern des Mittagessens und sich Bier auf das T-Shirt zu gießen, um ihre Kurven noch deutlicher, noch plastischer hervorzuheben.

Sie ist vergnügt und zufrieden und singt die Lieder der Jukebox mit, die sie alle kennt. Er macht ein Bild nach dem anderen, knipst sich regelrecht in einen Rausch und mit jeder Pose, die diese verrückte Frau einnimmt, mit jeder erotischen Variante wächst auch seine Begierde, nimmt seine Geilheit zu. Nun will er nicht nur ihr Bild, er will sie haben, er will ihren Körper besitzen, hier und jetzt, nicht mehr knipsen, nur noch ficken. Er fordert sie mit heiserer Stimme auf, das T-Shirt ausziehen und auch die Jeans. Doch sie will nicht, nein, sie will sich nicht ausziehen. Er insistiert, sie zögert, er drängt weiter, sie sieht ihn missmutig an. Schließlich streift sie widerwillig, zögernd das knappe Stück Stoff über den Kopf, öffnet erst die Gürtelschlange, dann den breiten Aluminiumreißverschluss, zerrt die Jeans Stück für Stück von den Hüften. Als das bisschen Kleidung endlich auf dem Boden liegt kickt sie es wütend in Richtung Theke. Nun steht sie in ihrer Unterwäsche da, in dem hellblauen Büstenhalter mit einem geflickten Träger und Löchern in den Körbchen. Statt des vermuteten raffinierten Tangas, hat sie eine ausladende, verwaschene Unterhose an, einen echten, hausbackenen Liebestöter. Sie weiß, dass sie in diesem Zustand längst nicht mehr so attraktiv aussieht wie in ihren knappen Klamotten und dass sich der Eindruck von Banalität, Normalität und Beliebigkeit noch verstärkt, wenn sie ganz nackt ist. Ihre Euphorie ist verflogen, ihre Freude am kreativen Gestalten dahin. Die Posen, die sie gerade noch perfekt beherrschte, wollen nicht mehr gelingen und neue Ideen, die gerade noch sprudelten, kommen nicht mehr. Sie ist nur noch verlegen und unbeholfen, steht steif und ungelenk herum. Mit der einsetzenden Ernüchterung bemerkt sie nun auch, wie der Mann sie immer wilder, immer fordernder anstarrt und die Kamera nur noch pro forma bedient. Ihr wird klar, was dieser Typ, der erst so fotogeile und jetzt nur noch geil ist, tatsächlich will. Er will sie, aber sie will ihn nicht. Als er sie auffordert, ja geradezu anschreit, mach den BH auf, zieh die Unterhose aus, reicht es ihr. Sie schreit zurück „no, basta, no soy una puta“. Schluss jetzt, ich bin doch keine Hure, was glaubst du eigentlich. „Terminado fotografiar, largate“. Hör sofort auf mit dem Geknipse und hau ab. Er, der nicht wahrhaben will, dass diese Schlampe sich ihm verweigert, dass sie kneift, kurz bevor er am Ziel ist, packt sie am Arm, zerrte an ihrem BH bis der geflickte Träger reißt und eine Brust aus ihrer hochgeschnallten Position dramatisch absackt. Doch selbst dieser halbe Hängebusen kann ihn nicht ernüchtern. Die Kamera auf dem Stativ steht verlassen im Raum, er braucht sie nicht mehr. Er presst die Frau an sich, versucht sie zu küssen, abzulecken, zu begrapschen, alles auf einmal, alles wie im Rausch. Sie schreit, wehrt ihn ab, windet sich. Er blafft sie an, du wolltest doch die Bilder, wozu die ganzen geilen Posen, stell dich jetzt nicht so prüde an. Dann lässt er kurz von ihr ab, doch nur, um den Gürtel seiner Hose zu lösen und seinen Hosenstall aufzuknöpfen. Sie ist hell empört, eine Furie, die vor Zorn bebt und sie tut instinktiv das einzig Richtige, um diesen weibstollen Fotografen an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen und ihn aus seiner blinden Auerhahnbrunst herauszuholen. Sie packt den schweren Bierkrug auf der Theke und schmettert ihn mit großer Wucht auf die Kamera. Ein klirrendes, splitterndes Geräusch, dann fällt diese zusammen mit dem Stativ polternd auf die Fliesen. Die Frau, knapp einer Vergewaltigung entkommene, rafft ihre paar Kleidungsstücke zusammen und läuft, laut schimpfend, in die Küche, knallt die Tür hinter sich zu und verriegelt sie.

Die Attacke auf seinen wertvollsten Besitz brachte ihn in der Tat augenblicklich auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Ernüchtert, fassungslos, den Tränen nahe starrte er auf sein demoliertes Arbeitsgerät, hob es schließlich auf, ergriff die leere Tasche und schlich sich, ein begossener, nein ein bepisster Hund, auf die Straße zu seinem Auto und fuhr davon. Der Urlaub war versaut, von den Kosten für eine neue Kamera ganz zu schweigen. Fast noch schlimmer war jedoch, dass er zu Hause feststellen musste, dass von den vielen Bildern, die er in der Bar gemacht hatte, kein einziges zu retten war. Die Speicherkarte war bei dem Akt von Notwehr auch zerstört worden. Und als ob ihn die Rache der Frau noch nachträglich treffen sollte, waren auch die Bilder von den Pflanzen und Tieren, wegen der er die Reise schließlich gemacht hatte, ebenfalls verloren. Was blieb, waren Trauer und Wut vor allem auf sich selbst, das Bild in seinem Kopf von dieser rasenden, rasanten Megäre und die Erinnerung an die krächzenden, jaulenden, einschmeichelnden Songs aus der Jukebox, deren entspannende Wirkung ihr wichtigstes Ziel leider verfehlt hatte.

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