Als er die halbdunkle Kneipe betrat und wohlige Kühle ihn umgab, entkam er zwar der brütenden Hitze des frühen Nachmittags, doch zugleich begann sein Verhängnis mit fatalen Folgen. Er atmete auf, stellte die schwere Fototasche und das Stativ auf die staubigen Fliesen des Fußbodens, auf dem das Sonnenlicht die Jalousien als regelmäßiges Muster abbildete und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Raum war leer, auch hinter der großen Theke war kein Mensch. Es musste aber jemand da sein, denn aus einer alten Jukebox tönte kratzend, leicht dissonant, ab- und anschwellend und manchmal aufjaulend eine Rumba. Eine angenehme Frauenstimme sang von einem Herz aus Kristall und dass viele Gefühle grausam verletzt wurden. Die Jukebox, eine Wurlitzer, ein prächtiges, vorsintflutliches Modell aus Holz, Glas und Metall, musste aus der selben Zeit stammen wie die alten Straßenkreuzer, die ihre Dienste notgedrungen immer noch verrichten mussten. In dem Glaskasten war ein Fächer echter, schwarzer Vinyl-Schallplatten, für die Auswahl der Titel, die auf einer langen, kaum noch lesbaren, handgeschriebenen Liste verzeichnet waren, gab es große, elfenbeinfarbene Druckknöpfe aus Bakelit und an der Frontseite blinkten bunte Streifen und Ringe auf einer beleuchtete Glasplatte. Das Gerät war aber entweder defekt oder auf Dauerbetrieb programmiert, denn es spielte immer nur den selben Schlager, hay corazon, corazon de cristal. Nachdem er das nostalgische Wunder ausreichend bestaunt hatte, setzte er sich in einen der ausgefransten Korbsessel und gab sich der einschmeichelnden, rauchigen Frauenstimme hin. Eine wohlige Müdigkeit überfiel ihn, er kuschelte sich tiefer in den Sessel, schloss die Augen, begann zu dösen und schlief schließlich ein.
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