Ihr Blick wanderte vom Zifferblatt ihrer Uhr aus dem Fenster. Es würde Regen geben. Dicke graue Wolken verbargen den Himmel hinter sich. Eine schwarze Krähe landete in der Dachrinne gegenüber. Sie seufzte und starrte auf den Bildschirm.
Noch eine halbe Stunde und dann hatte sie ihren Dienst für heute beendet. Eigentlich machte ihr die Arbeit Spaß, wenn man es Arbeit nennen konnte. Sie half in den Ferien im Computerraum der Universität aus. Keine große Sache. Nichts sonderlich anstrengendes, schließlich galt es nur den Studenten im CIP-Pool mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und darauf zu achten, dass niemand aus lauter Frustration über die langsamen Rechner mit der Tastatur auf seinen Monitor einhämmerte. Sie lächelte über diese Vorstellung und ließ ihren Blick über die einzelnen Arbeitsplätze schweifen. Die meisten kommen doch sowieso nur her, um ihre Emails abzufragen. Auf Anhieb entdeckte sie drei Studentinnen, die mit dem Lesen ihrer Nachrichten beschäftigt waren. Ganz vorne rechts saß ein Student, der in einem Textprogramm arbeitete und vermutlich an irgendeinem Essay bastelte. Ansonsten war nicht viel los in dem kargen, grauen Raum.
Ausdifferenzierung des Zeitschriftenwesens. Darunter ihr Name. Sie war in der Tat noch nicht sehr weit mit ihrer Hausarbeit gekommen. Entmutigt öffnete sie einen Internetbrowser und besuchte die Page ihres Lieblingswebradios. Sie kramte in ihrem Rucksack nach den Ohrstöpseln. Es lief ein trauriges Lied. Passend zum Wetter und meiner Stimmung, dachte sie.
Plötzlich tippte ihr jemand auf die Schulter. Sie wirbelte so ruckartig herum, dass ihre Ohrstöpsel auf dem Boden landeten.
„Du bist doch hier die Aufsicht, oder?“ fragte sie ein Student mit asiatischen Gesichtszügen. Er war groß und hatte schulterlanges schwarzes Haar. „Ja“, antwortete sie gelassen und setzte hilfsbereit hinzu, „wie kann ich Dir helfen?“ Er sah einfach liebenswert aus, wie er so verlegen vor ihr stand und sie unsicher aus großen dunklen Augen musterte. „Ich weiß, dass es eigentlich nicht zu Deinen Aufgaben gehört“, fing er an, „aber vielleicht kannst Du mir trotzdem helfen.“ „Lassen wir es darauf ankommen“. Sie lächelte. „Ich gebe es ja nicht gerne zu, aber leider habe ich nicht viel Ahnung von Computern. Ein Freund hat mir einen neuen PC zusammengestellt und jetzt bin ich mit der Einrichtung total überfordert. Könntest Du mir dabei helfen – natürlich nur wenn Du Zeit hast“, er beobachtete sie aufmerksam.
Kalligraphie auf nackter Haut
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