Kalte und kältere Füße

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Kalte und kältere Füße

Kalte und kältere Füße

Sophie Andresky

„Haben Eskimos eigentlich Sex?“
Au, Männern sollte man echt keinen blasen, dachte Lotte, die kommen dann auf die dümmsten Ideen, als hätte man ihnen das Hirn herausgesagt statt ... aber ist wahrscheinlich eh dasselbe Material. Sie drehte sich neben Manuel auf den Bauch. Vielleicht war es auch das dichte Schneetreiben draußen, das ihn so philosophisch machte. „Klar, Eskimos vermehren sich ja auch, oder glaubste, die sind alle so alt wie Ötzi, weil die Kälte sie frischhält?“ Manuel ließ nicht locker: „Aber wie tun sie es? Ausziehen ist ja wohl nicht. Und wenn du zu doll schreist beim Vögeln, meint irgendso´n vorbeitapernder Eisbär, du bist ein brünftiges Weibchen, und frißt dich, weil er so frustriert ist, dass er wieder keins abgekriegt hat.“ Lotte grinste. Weil sie aber wusste, dass man Männer das Gefühl geben muss, dass man sie ernst nimmt, egal, ob sie gerade darüber nachdenken, wie wohl die Schrift auf die Brötchentüten kommt oder was sich ein Autobahnarchitekt beim Entwerfen von Autobahnkreuzen gedacht hat, sagte sie betont ernst: „Vielleicht flüstern die ja auch nur, wegen der Lawinengefahr. Was die wohl so sagen dabei?“ Sie kicherte. „Komm, steck deinen Eiszapfen in mein Iglu?“ Manuel kicherte auch, dann sagte er: „Schulz jetzt, sonst kommt Amnesty International und steckt uns in den Knast wegen unkorrekter Bemerkungen.“
„Oder nach Sibirien, da isses auch kalt.“ „Du hast eh immer kalt,“ er zeigte auf ihre Füße, die in dicken Bergsteigersocken steckten. Eine nackte, zierliche kleine Frau in so dicken Socken, dass ihre Füße wie die eines Schlumpfs aussahen. Manuel sagte immer ‚du hast kalt’ zu ihr und jedesmal hätte sie ihn am liebsten verbessert, aller Welt ist kalt, aber weil Manuel aus dem Rheinland kam, hatte er eben kalt, das musste man tolerieren. Außerdem hatte er Recht. Sie fror ständig, auch im Sommer. Irgendwo hatte sie gelesen, dass Frauen an den Füßen schneller frieren als Männer, weil die Haut dort dünner ist, wahrscheinlich weil Männer in der Steinzeit so lange barfuß laufen mussten, bis sie ihr Mammut erlegt hatten, bei den kurzen Strecken des Beerensammelns war eine dicke Hornschicht einfach nicht so nötig. Aber Manuel vertrat die Ansicht, es liege daran, dass sie zu wenig Sport treibe, während er vor fünfzehn Jahren einmal einen ganzen Sommer lang regelmäßig Badminton gespielt hatte, wovon sein Körper heute noch profitiere. Manchmal, dachte Lotte, argumentiert er, als würde ihm immerzu einer geblasen, aber das sagte sie nicht, denn irgendwie liebte sie ihn ja. „Vielleicht wird mir wärmer, wenn wir mal zur Bar runtertigern“, sagte sie und angelte auf dem Boden nach ihrem Slip.
Aber unten in der Lounge trat Lotte wieder von einem Fuß auf den anderen, weil sie das Gefühl hatte, schienbeinabwärts höre die Wirkung der Hotelheizung einfach auf. Manuel frotzelte so lange von Eskimos und Liebespraktiken mit Eisbein, bis die farbige junge Frau, die hinter dem Tresen die Coctails mixte und das herumalbernde Pärchen schon länger beobachtet hatte, Lotte anlächelte: „Kann ich Ihnen vielleicht einen Glühwein bringen, damit Sie ...?“ Die Bedienung beugte sich vor, so dass beide tiefe Einblicke in ihr Dekolleté bekamen, und sagte, sie kenne das und hätte einige Tricks entwickelt, wie man sich richtig aufheizen könnte. „Der Kreislauf muss hoch“, sagte sie, „unter anderem“, und ihre Stimme hatte einen kehligen Klang, der Lotte gleich gefiel, „mit ein paar Handgriffen geht das schon. Wenn Sie möchten, kann ich die Ihnen auf Ihrem Zimmer zeigen, ich habe gleich frei. So einem netten Paar wie euch geh ich gern ein bisschen ... zur Hand.“ Lotte wusste nicht genau, woher sie es plötzlich wusste, aber mit einem Mal war sie sich sicher, dass die schöne Schwarze nicht von einer Fußmasssage sprach. Sie sah Manuel an und wusste, dass er es auch wusste. Manchmal funktionierte sein Gehirn erstaunlich gut. Zögernd sagte er „ja wenn Sie meinen, was meinst du Schatz, also, ich meine.“ Lotte stöhnte, begriffen hatte er es, aber sein Sprachzentrum ließ noch zu wünschen übrig. „Gern“, sagte sie und strahlte die Barmaid an.
Im dunklen Hotelzimmer zog die Frau die Vorhänge zu, richtete die Schreibtischlampe genau aufs Bett, zog zwei Stühle vor das Bettende und wies Lotte mit einer Handbewegung an, es sich auf den Kissen bequem zu machen. Sie selbst setzte sich mit Manuel auf die Stühle. Sie zündete sich eine Zigarette an einer Kerze an, hielt die weiterhin in der Hand und hauchte rauchig „und jetzt zieht euch aus.“ Ihre Stimme war nicht mehr dienend verbindlich, sondern sehr bestimmt, fast befehlend. Lotte, die sich sonst nie etwas sagen ließ, war plötzlich fasziniert, sie sah Manuel an, der wiederum sie gespannt ansah. Schließlich gehorchten sie. Nackt lag sie vor ihrem Mann und der schwarzen Frau. „Mach die Beine breit“, sagte sie, und, als Lotte gehorchte, „und fass dich an.“ Manuel räusperte sich. Er hatte es mit Lotte in einer fahrenden S-Bahn getrieben, im Ehebett seiner Eltern und in einem Pornokino, wo mindestens sein Sitznachbar etwas mitbekommen haben musste, aber das hier war neu. Lotte ging die befehlende Stimme genau zwischen die Beine. „Und du“, sagte sie zu Manuel, der unruhig auf seinem Stuhl hin- und herrutschte, „knie dich vor das Bett und nimm ihren Fuß in die Hand.“ Er fiel auf die Knie wie ein Hirte beim Krippenspiel, Lotte entschied, ihn mit sich allein zu lassen, und schloss die Augen. „Und jetzt lutsch ihren großen Zeh. Erst anhauchen, dann mit der Zunge drüberlecken, dann in den Mund nehmen und lutschen. Und die anderen Zehen massiert du dabei.“ Lotte zuckte ein bisschen, weil sie kitzlig war, genoss es aber bald. „Und du streichel deine Clitti. Dass die schon ganz nass ist, seh ich ja von hier.“ Lotte began, mit einer Fingerkuppe durch ihre Spalte zu streichen, als die dunkle Stimme Manuel fragte, ob die Zehen jetzt warm seien. Er schüttelte den Kopf. Die Frau stand von ihrem Beobachtungsposten auf und trat neben ihn. Sie senkte die Kerze, und zwei heiße Wachstropfen fielen auf Manuels Hand. Er stöhnte, aber wehrte sich nicht. Die Barmaid hielt die Kerze über Lottes Fuß und tropfte das heiße Wachs auf ihren Spann, dann auf ihren Knöchel, das Schienbein, die Oberschenkel und schließlich auf ihr Schamhaar und ihre Brüste, erst aus größerer Entferung, dann so nah, dass Lotte auch die Wärme der Flamme spürte. Sie stöhnte laut. Die Frau setzte sich neben sie. Lotte erstarrte kurz, als sie auf ihrer Hand eine fremde fühlte, eine warme, weiche, aber sehr bestimmende Hand, die mit den Fingern durch ihren Pelz fuhr und tiefer glitt. „Sieh dir genau an, was ich tue,“ hauchte sie zu Manuel, „sie dir an, wie ich es deiner Frau mache, wie ich meine Finger zwischen ihren Beinen habe.“ Und, fast gnädig: „Du darfst es dir jetzt auch besorgen.“ Manuel rieb sich und starrte mit Murmelaugen die schwarze Hand an, die sich in Lottes Pelz bewegte. Er kam mit einem langen Stöhnen, und Lotte hörte es erleichtert und gestattete sich auch den Absprung. Und als sie wieder die Augen öffnete, war ihr tatsächlich ganz warm. Überall. Die Barmaid lächelte ihr Blendamed-Lächeln. „Ihr mögt es, dass euch jemand sagt, was Sache ist, gell?“ Lotte wusste, was selten war, nichts zu sagen. „Ich habe einen Freund, der das sehr gut kann. Ihr würdet ihn inspirieren. Und er hat schöne Ideen, wirklich ausgefallene. Richtig heiße. Die könnten Euch gefallen. Ich gehorche ihm auch. Sagen wir morgen abend hier?“ Lotte und Manuel sahen sich an und waren sich mit einem Blick einig. „Um neun“, sagte Lotte, und die Barmaid verschwand.
Als Manuel seiner Frau den Koffer abnahm und die Hand reichte, während sie über die ungestreuten Nebenstraßen des kleinen Nachbarortes rutschten, wusste Lotte wieder, warum sie mit ihm zusammen war. Es gab dieses Verstehen mit einem Blick, das so klasse zwischen ihnen war. Da durfte er ruhig auch Gespräche über rossige Rentiere führen. An der Rezeption hatten sie behauptet, sie müssten aus beruflichen Gründen die Flitterwochen abbrechen. Der Barmaid waren sie Gott sei Dank nicht begegnet, als sie ihr Gepäck in den Wagen luden und zwei Dörfer weiterfuhren. Während sie vor einer kleinen Pension standen, die gut geheizt aussah, schmiegte sich Lotte an ihn und sagte „ich hab kalte Füße.“ Manuel grinste „Jau. Krieg ich auch manchmal.“

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