Kann man Liebe riechen?

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Kann man Liebe riechen?

Kann man Liebe riechen?

Emil Lorenz

„Warum riechst du mich, siehst mich aber nicht?“, fragte sie plötzlich. Ich sah sie vollkommen verdattert an.
„Wie meinst du das?“, antwortete ich mit einer Gegenfrage.
„Du kannst mich riechen, das habe ich schon ein paar Mal gesehen.“
„Wie meinst du das, ich kann dich riechen? Ich verstehe das nicht.“ Ich stellte mein Werkzeug auf eine kleine Kommode im Flur und machte zwei Schritte auf sie zu.
„Ich habe es an deinen Augen gesehen, du kannst meinen Zustand riechen.“
„Ich verstehe es immer noch nicht, welcher Zustand? Bist du krank?“
„Idiot.“ Sagte sie kurz und knapp. Sie kam zu mir und stellte sich dicht vor mich. Sie hatte recht, ich konnte etwas riechen, aber ich hatte keine Ahnung, was es war. Ich sog die Luft in meine Nase und versuchte, es zu erkennen.
„Ja, ich rieche etwas, aber ich weiß nicht, was es ist.“
„Lass deine Gedanken frei. Lass dich treiben.“ Sagte sie eindringlich. „Höre auf dein Inneres.“
„Es tut mir ehrlich sehr leid, Vanda, aber ich weiß wirklich nicht, wovon du sprichst.“ Ich hielt inne und überlegte kurz. „Wenn es wirklich das sein könnte, was ich mir vorstellen könnte, was ich aber nicht glaube, dass es das ist, dann ist das nicht so einfach möglich, weil es gegen alles geht, was unsere Gesellschaft und auch unsere Erziehung normalerweise hergibt und akzeptieren würde.“ Ich sah sie fragend an und wartete.
„Dann nenn es doch beim Namen.“ Wiederholte sie eindringlich, „sprich es aus.“
„Das kann ich nicht, weil ich mir nicht sicher sein kann, dass du das richtig auffassen würdest.“
Sie kam noch etwas näher an mich heran und musste ihren Kopf fast ganz in den Nacken legen.
„Du riechst es doch.“
„Hör mal Vanda, wir kennen uns gerade mal“, ich blickte mich nach einer Uhr um, „drei Stunden, du bist eine junge Frau, und du erwartest jetzt allen Ernstes, dass ich dich in- und auswendig kennen würde, und mit dir sprechen kann, als hätten wir die letzten 20 Jahre in Einzelhaft zusammen verbracht.“
Vanda lächelte. „Was denkst du denn, wie alt ich bin, wenn du mich als junge Frau bezeichnest?“ sie sah mich herausfordernd an und drehte sich dann um. Sie ging Richtung Wohnzimmer und winkte mir, ihr zu folgen. „Möchtest du noch einen Kaffee?“, fragte sie und rückte dabei einige Klamotten zurecht, damit ich mich auf die Couch setzen konnte. Ich schüttelte den Kopf.

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