Mein letzter Lover war Osteuropäer, und ich hätte es schon früh merken müssen. Ich hätte schon früh
merken können, dass er auf Würgesex steht. Aber ich habe geliebt, mich hingegeben und mir gedacht, nun ja. Männer. Bis er mir eines Abends fast das Genick gebrochen hat. Fluchtartig bin ich ausgezogen und habe meine alte Wohnung gekündigt. Mit dem Ziel, dass sie ihn rauswerfen und er hoffentlich irgendwo erfriert. Denn ohne Frau kann er sich kein Dach über dem Kopf leisten. Und jetzt ist vor ein paar Tagen dieser Sebastian eingezogen. Bestimmt ist er einiges älter als ich – und ich spekuliere ja nicht. Ich kann es mittlerweile ganz gut allein. Aber dieser Sebastian hat so etwas... Freundliches an sich. Er spricht ausserdem denselben Dialekt wie ich – es wird sich kaum um eine üble Type handeln, um keinen, der Frauen würgt. Vielleicht frönt er einer andern Perversion – aber sei's drum. Gedankenverloren trete ich vor meine Wohnungstür und wäre beinahe in drei Schokoküsse getreten, die mir jemand auf die Fussmatte gelegt hat – mit einem Kärtchen. „Ich wollte Dir nur eine kleine Freude bereiten. Schönen Sonntag noch. Sebastian“. Es gibt nur noch wenige Dinge, die mich mit meinen 29 Jahren in Schnappatmung versetzen. Aber in diesem Fall ging ich rückwärts zurück in meine Wohnung – und musste mich kurz setzen. Ich bin keine, die an digitale Liebe glaubt, auch wenn ich noch ziemlich jung bin. No tinder. No parship. Kein Anbaggern über Twitter (ja, auch das kommt vor, obwohl alle mitlesen können). Was will der Kerl von mir? Warum diese Schokoküsse? Ist der Mann von Sinnen? Mir, als für ihn wildfremde Frau, einfach so ein Kärtchen zu schreiben... Dann wiederum bin ich von mir selber schockiert. Wie verbogen dass meine Seele mittlerweile ist. Dass ich bereits Verdacht schöpfe, wenn mir ein älterer Mann eine Freude machen will. Was, wenn er mir wirklich nur eine Freude machen will?
Karin badet
schreibt Huldreich