Kathrins Kirschen

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Kathrins Kirschen

Kathrins Kirschen

Andreas

Der Besitzer freute sich, dass er einen tüchtigen, jungen Mann gefunden hatte. Ich räumte die Regale ein, belieferte die zahlreichen Baustellen in der Stadt mit dem Lieferwagen. Es herrschte noch immer Mangel an gewissen Konsumgütern, obwohl die Zeit der Bezugsscheine gottlob vorbei war. Nach der Währungsunion im Juni des Jahres erhielt jeder Deutsche 40 Mark, was als Startkapital diente. Dieses “Kopfgeld“ symbolisierte den Start in eine neue Ära. Auch ich blickte mutig nach vorne, wobei meine Augen an dieser jungen Frau hängenblieben. Fräulein Krisch saß meist an der Kasse, half aber auch in unserem kleinen Lager aus. Die 20-Jährige fand man überall, wo Not an der Frau war. Fräulein Kirsch hatte ja Trümmer weggeräumt. Wie die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen auch, musste sie zwischen Ruinen den Schutt auf Schubkarren schaufeln.
Diese starken Frauen schufteten sich den Buckel krumm, da ihre traumatisierten Männer erst nach und nach aus den Gefangenenlagern nachhause kamen. Wenn sie denn überhaupt wiederkehrten.

Ich überstand alles relativ unbeschadet. Zumindest dachte ich das damals noch. Fräulein Kirschs hübsches Gesicht half mir dabei, die hässliche Fratze des Krieges aus meinem Kopf zu vertreiben. Sie hatte pechschwarzes Haar, das sie leicht gewellt trug und das sanft ihre Schultern umspielte. Mein Freund Eddie brachte es auf den Punkt, als er mir einmal beim Bier gestand: „Dieses Fräulein Kirsch ist eine Wucht. Mannomann, hast du ein Glück! Ich hab selten ein hübscheres Mädel gesehen…“ Ich konnte Eddie nicht widersprechen. Kathrin Kirsch verzauberte die meisten Männer, so sie nicht unter einer Sehschwäche litten. Eines Tages war ich mit ihr in unserem Lagerraum beschäftigt. Die Frau unseres Chefs saß an der Kasse, während der Alte die Waren ausfuhr. Kathrin und ich packten die neue Lieferung in die Regale. Ich schaute immer wieder zu ihr hinüber.

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