Katja und der Blinde

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Katja und der Blinde

Katja und der Blinde

Anita Isiris

So gesättigt, strich die frisch geduschte Katja ihrem Ex in der Küche ein Guacamole-Sandwich und setzte sich zu ihm auf die Couch.
Als kurz nach 17:00 Uhr Bernd hinzu stiess, waren Oros und Katja schon so vertraut miteinander, als hätte nie eine Trennung stattgefunden, als wären sie immer noch zusammen und ein glückliches Paar. Bernd fühlte einen Stich im Herzen, war aber von seinen Klienten derart rangenommen worden, dass er seine Gefühle verdrängte und sich in der Küche ein Mineralwasser einschenkte. Obwohl Oros nichts sehen konnte, hatte er die Anwesenheit von Bernd längst wahrgenommen, stand zielsicher auf, kurvte um den Glas-Clubtisch, ging in die Küche und streckte Bernd die Hand entgegen. So, als wollte er sich mit ihm versöhnen. «Sorry, Kollege, ich habe soeben Dein Schätzchen bezüngelt, befingert und gebumst. Schätze das ist für Dich in Ordnung?»
Der Abend schritt voran, Katja belegte mit geübter Hand die Pizza, stellte Ober- und Unterhitze auf 220 Grad und schob das Blech in den Ofen. Bernd, der den Gurkensalat schnippelte, konnte nicht umhin, auf ihren Hintern zu starren, während Katja am Backofen beschäftigt war. Was für ein Arsch, was für ein Arsch!
Bei Kerzenlicht, mit appetitlich dunkelrot leuchtendem Barolo und duftender Pizza verbrachten die drei den nächsten Teil des Abends. Irgendwann eröffnete Oros den beiden seine neue Leidenschaft und brachte so das bisher eher stockende Gespräch in Gang. Neuerdings malte Oros. Das tägliche Dolmetschen in all den Sprachen erschöpfte seinen Intellekt, wie er Katja schon früher immer wieder geklagt hatte. Das Zeichnen aber war der ideale Ausgleich zu seiner beruflichen Tätigkeit. Er stand auf, ging quer durchs Wohnzimmer zu seinem Gästezimmer und entnahm seinem Rollkoffer ein gerolltes Bild.
«Schau… mein Gästegeschenk». Das Bild versetzte nicht nur Katja in Schnappatmung, sondern auch Bernd. Aus der Erinnerung hatte Oros Katja porträtiert. Mit gekonntem Strich hatte er ihre Gesichtszüge so hinbekommen, dass es sich unverkennbar um Katja handelte. «Wie zum Teufel…», sagte Bernd, und Oros hatte die Frage natürlich erwartet. «Ich habe bei mir zuhause noch eine Gipsmaske von Katja», sagte er. «Und weil ich blind bin, kann ich Profile erfühlen und sie dann in eine Fläche bringen». Ohne wirklich zu verstehen, konnte Bernd den Blick nicht mehr von Katjas Portrait lösen.
Zur Nachspeise gab es Espresso und Schaumcrème, danach einen Grappa. Auch Katja langte zu, obwohl sie eigentlich wusste, dass Hochprozentiges bei ihr sehr rasch zu Schläfrigkeit führte. Sie setzten sich zu Dritt aufs Sofa, und Oros erzählte von seiner letzten Patientin, einer Norddeutschen mit Eintrittsdiagnose Glioblastom, die auf einmal, wenn auch bruchstückhaft, in ihr bis dahin unbekannten zusätzlichen Sprachen parlierte. Italienisch. Russisch. Oros musste dann auf Deutsch rückübersetzen und bekam so etwas über die bewegte Geschichte der Frau heraus, deren Eltern in der Ukraine lebten, mit ihr aber nie russisch gesprochen hatten.



Katja gähnte. «Ich will nicht unhöflich sein», sagte sie, «aber ich muss ins Bett». Sie stand auf, ging ins Schlafzimmer und zog sich ihr Seidennachthemd an. Geduscht hatte sie ja schon. Ihre Erscheinung im gedimmten Wohnzimmerlicht war umwerfend. Bernd war augenblicklich geil wie ein Frettchen. Der Gast war ja blind. Ob er, Bernd, vielleicht… wenigstens ein ganz kleines Bisschen… mit Katja fummeln könnte? Sofort wurde aus dem anerkannten Juristen ein kleiner Junge, ein kleiner Junge, dem der Kopf ausschliesslich nach erregten weiblichen Brustwarzen steht, weil er das in einem Pornoheft gesehen hat.
Katja räkelte sich zwischen den beiden Männern und gähnte erneut. Oros und Bernd sogen gleichzeitig ihren Duft ein. Dann spielte Bernd mit Katjas Haar. Diese quittierte mit einem weiteren Gähnen. «Mein Gott, was bin ich müde», sagte sie, kuschelte sich an Bernd und glitt in Morpheus’ Arme. Grappa hatte auf sie eine besondere Wirkung. Katjas Atemzüge wurden immer ruhiger, während die beiden Männer allmählich angewärmt waren – und angetan voneinander. Bernd faszinierte Oros’ Leben als Blinder, der Mann war ganz anders, als er sich ihn vorgestellt hatte. Sympathisch, offen, eloquent. Katja hatte einen guten Männergeschmack. Klar. Sonst hätte sie sich weder in Oros noch in Bernd verliebt, ging diesem kurz durch den Kopf. Nach zwei weiteren Grappa-Gläschen hatte Oros eine Idee. «Ich bin nicht lange bei Euch», sagte er. «Ich wollte nur sehen, ob es Katja gut geht, nun bin ich meine Zweifel los». Oros wurde Bernd immer sympathischer.
«Weisst Du was, Bernd?», sagte er. «Schreib es nicht dem Grappa zu, ich meine es ernst. Ich möchte Katja malen. Gleich. Hier auf dem Sofa. Bernds Augen weiteten sich. Er liess den Blick über Katjas Nachthemd gleiten und stellte fest, dass der Stoff bei der Brust ein wenig abstand. Verführerischer hätte seine Katja nicht mehr wirken können. Ihr Atem ging ruhig, sie vertraute den beiden Männern derart, dass sie ins Reich der Träume abgeglitten war und von dort nicht so schnell wieder auftauchen würde. Noch während er Katja liebevoll betrachtete, war Oros aufgestanden und erneut ins Gästezimmer gegangen. Dort nestelte er an seinem Gepäck. Kurz darauf kam er mit Malutensilien und einem grossen Papierbogen zurück.
«Ich habe sie nicht im Relief», sagte Oros sachlich, «lass uns doch Katja gemeinsam malen, wir lieben sie doch beide. Ich schlage einen Ganzkörper-Akt vor». Bernd war hin- und her gerissen. Einerseits war er rattenscharf, andererseits… wollte er wirklich seine schlafende Freundin exponieren? Aber da war diese Vertrautheit. Oros und Katja hatten bestimmt unzählige Male Sex gehabt miteinander, und kurz erfasste ihn sogar Mitleid. Oros hatte ihr in all den Jahren, in denen er mit Katja zusammen war, nie ein ernst zu nehmendes Kompliment zu ihrem Äusseren machen können. Nie ein «wie schön die Sonne in Deinem Haar leuchtet». Nie ein «Deine Schenkel sind das ultimative Naturereignis». Gar nichts Verbales. Aber Oros konnte etwas anderes. Er konnte fühlen. Riechen. Schmecken. Tasten. Er hatte intensive Sinne, ausser, eben, diesen einen.
«Gib mir Deine Augen», sagte Oros in diesem Moment zu Bernd. «Ich gebe Dir meine anderen Sinne». Als wäre Bernd unter Hypnose, machte er sich am Saum von Katjas Kleidchen zu schaffen und schob es ihr über die Oberschenkel. Unter dem Seidennachthemd war Katja nackt. Das würde das Ganze wesentlich vereinfachen. Vorsichtig schob ihr Bernd das Nachtgewand über die Pobacken, über den Bauch und zog es hoch, bis Katjas Riesenbrüste nackt im gedimmten Licht schimmerten. Auch die güldenen Härchen um ihren Nabel korrespondierten mit dem Licht. Nun lag Katja splitternackt zwischen den beiden Männern. Es war magisch.
Als hätte Oros gefühlt, dass Katja von ihrem Nachthemd befreit war, strich er ihr sanft über die Bauchdecke. Bernd empfand keine Eifersucht mehr, nicht einmal Geilheit, er genoss einfach den Moment. Katja tat einen Seufzer und öffnete ihre Schenkel. Einen kurzen Moment hatte Bernd den Verdacht, dass sie aufwachte oder den Schlaf nur simuliert hatte. Aber ihre ruhigen, tiefen Atemzüge und die flimmernden Augenlider belehrten ihn eines Besseren. Katja lag im Tiefschlaf.
Dann erkundete Oros Katjas Körper. Er kniete sich vor sie hin und tastete nach ihren Füssen. Er umkreiste mit ernstem Gesicht ihre Knöchel. Glitt nach oben, über Katjas Schienbeine. Er tastete nach dem Ausmass von Katjas Gastrocnemii. Katjas Patellae. Katjas Oberschenkel. An ihrer hübschen, trotz blondem Kopfhaar tiefschwarz bewaldeten Vulva verweilte er besonders lange. Er schloss die Augen, während Bernd nun doch tief durchatmen musste, um den Vorgang nicht zu stören. Katjas obere Schamhaargrenze. Katjas Bauch. Ihre Hüftknochen, die Spinae Iliacae anteriores superiores. Katjas Processus Xiphoideus. Und dann, endlich, Katjas schwere Titten. Oros massierte die Linke, Bernd die Rechte. In freundschaftlicher Einigkeit spielten die beiden Männer an Katjas wohlgeratenen dunklen Zaubernippeln. Dann war es Oros, der tief durchatmete.
Er schloss die Augen. Breitete den Papierbogen auf dem Clubtisch aus. Und markierte bestimmte Punkte, die er sich soeben eingeprägt hatte, auf dem weissen Blatt. Katjas Fersen. Katjas Knie. Katjas Mitte. Katjas Nabel. Katjas Sternum. Den Übergang von Katjas Rumpf zu ihren Armen. Katjas leicht zur Seite gewandter Kopf.
Nur das Kratzen des Kohlestifts war zu hören. Ab und zu griff Bernd, der bis dahin noch nie gemalt hatte, nach Oros’ Hand, etwa dann, wenn diese etwas zu weit nach links oder rechts gerutscht war. Strich für Strich, Fläche für Fläche näherte sich die Zeichnung Katjas nacktem Körper. Nach zwei Stunden waren nicht nur die Umrisse, sondern auch das eine oder andere Detail wie Katjas Achseln, der Übergang von der Incisura Jugularis zum Hals, unverkennbar. Auf dem Papier entstand Katja.
Die beiden Männer nickten sich zu. Sie verstanden sich. Bernd holte eine Decke und breitete sie über Katja. Oros strich ihr zärtlich die Locken aus der Stirn. Beide Männer küssten die hübsche junge Frau, jeder auf eine ihrer Wangen.
Dann legten sich beide schlafen. Das Kunstwerk auf dem Glastisch überliessen sie ihrem Schicksal.
Katjas Überraschungsschrei am nächsten Morgen holte die beiden Künstler aus dem Schlaf. «Ihr seid doch… besessen…», brachte sie heraus, sah an sich herunter, stellte fest, dass sie nackt war und beliess es dabei.
Dann verwöhnte sie beide Männer gleichzeitig.
Danach gab’s einen Espresso.

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