Eigentlich war es Marlies‘ Schuld, dass er ein „Kavalier“ geworden war. Natürlich ist man für sein Leben immer selbst verantwortlich, aber sie hatte den Anstoß dazu gegeben. Hätte sie ihn nicht auf den Geschmack gebracht, wäre er höchst wahrscheinlich immer noch der brave kleine Angestellte, der er vorher gewesen war.
Er hatte sie während eines Urlaubs in Dubai kennengelernt, vor gut drei Jahren, mit 25. Da er allein reiste, hatte man ihm einen Platz am Tisch im Speiseraum mit einem englischen Ehepaar mittleren Alters und ihr zugewiesen. Nachdem er am zweiten Tag morgens beschlossen hatte, den Tag erst mal am Pool zu verbringen, hatte sie es sich einfach auf der freien Liege neben ihm bequem gemacht. Erst nachdem sie all ihre Utensilien fein säuberlich ausgebreitet hatte – es war unglaublich was Frauen dazu alles mit sich herumschleppten – wobei sie ziemlich geschäftig vor ihm herumscharwenzelte und sich endlich hingelegt hatte, hatte sie ihre Sonnenbrille in die Stirn geschoben und gemeint, dass es ihm doch nichts ausmache, wenn sie sich neben ihn lege (sie lag da ja bereits). Hier sei die Gesellschaft angenehmer als da drüben, war ihre humorige Begründung. Sie deutete dabei auf die gegenüberliegende Seite des Pools, wo eine ganze Reihe teils glatzköpfiger und meist wohlbeleibter Männer mit einem Teint, der entfernt an gekochte Hummer erinnerte, allem Anschein nach Engländer, ungefähr die Hälfte der Liegen eingenommen hatte und sich bei sündteurem Importbier (es war noch vor zehn) lautstark scherzend offensichtlich prächtig unterhielten.
Er sah zunächst nur desinteressiert von seinem Buch auf und las weiter, bis sie nach ein paar Minuten ihre Zeitschrift weglegte, mit festem Blick zu ihm hinüber sah und ihm unvermittelt vorschlug, sie sollten sich doch der Einfachheit halber duzen, schließlich seien sie ja Tischnachbarn.
Kavalier & Gigolo
Fortsetzung von "Betty"
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Kavalier & Gigolo
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