Keramikkurs

48 16-25 Minuten 0 Kommentare
Keramikkurs

Keramikkurs

Solveig Raun

Kati und ich plauderten locker mit den anderen, dann ging ich allein aufs Klo. Ich musste eigentlich nicht, wollte nur kurz meine Gedanken sortieren. Ich sah sofort wieder die Hände vor mir, seine auf meinen. Sie waren größer als meine, kräftig und warm gewesen. Kein bisschen rau, wie ich es eigentlich erwartet hätte bei einem handwerklichen Beruf wie seinem. In meinem Bauch kribbelte es, ich sog tief die Luft ein. Es war länger her, dass mich ein Mann so extrem körperlich angesprochen hatte. Ich schüttelte nochmal den Kopf, verscheuchte die weiteren Gedanken an mögliche Berührungen dieser Hände und sprach mit mir selbst.
‚Heute Abend, da ist Zeit, da verwöhne ich mich selbst. Jetzt mache ich weiter, bleibe cool.‘
Ich trat aus der Kabine, ging zum Waschbecken und ließ kurz kaltes Wasser über die Handgelenke laufen. Etwas Wasser spritzte ich mir ins Gesicht, lächelte dann mein Spiegelbild an und ging zum Atelier zurück.
Ich dachte schon, du wärst ins Klo gefallen, raunte mir Kati zu. Ich grinste. Nee … alles gut. Keine Minute nach mir trat André wieder in den Raum und setzte sich auf seinen Platz.
„So, Mädels“, sagte er. „Nun zeige ich euch, wie ihr die verschiedenen Techniken anwendet. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt. Und ganz wichtig: langsam arbeiten. Dabei schaute er zu mir und grinste.“
Ich lief rot an. „Geduld ist nicht so meine Stärke“, murmelte ich verlegen.
„Die kann man lernen, besonders hier“, entgegnete er.
André zeigte uns noch einige Werkzeuge, erklärte die Anwendung und ließ uns dann weitermachen. Wieder ging er rundherum, diesmal stand er länger bei Kati, aber ihre Hände korrigierte er nicht. Stattdessen gab er Tipps, lobte die gleichmäßige Form des Tons. Sie arbeitete an einer Schale und – das musste ich zugeben – die sah schon sehr gut aus. Ohne viel Aufhebens oder Kommentare zu mir ging André weiter.
In meinem Kopf rauschte es mittlerweile. Ich betrachtete meinen Ton, meine verschmierten Hände, die Wasserflecken überall. Was hatte er gesagt? Man soll den Ton öffnen?

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 4060

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben