Im Abendnebel wirkte Sirits Häuschen noch unwirklicher als am Tag, Sven blieb stehen und öffnete vorsichtig die Gartentür. Ein leises Quietschen war nicht zu vermeiden; Sven zuckte zusammen. Das Licht kam aus Sirits Schlafzimmer. Wie in Trance ging Sven auf das Schlafzimmerfenster zu – und erstarrte. Nur ein Teil der Scheibe war angelaufen, dahinter bewegte sich – ein Mann. Er hatte einen dunklen Teint, und er kam Sven bekannt vor. Dann dämmerte es ihm. Der Schwarze hiess Joaquin und verkaufte direkt gegenüber seinem Arbeitsplatz, der kleinen Stadtkirche, Marronen. Jetzt war Sven vollkommen in den Bann geschlagen. Was hätte er bloss tun sollen? Klingeln? Er hätte sich zweifellos zum Affen gemacht. Ans Fenster klopfen? Noch schlimmer. Unverrichteter Dinge abziehen? Das hätte er sich nie verziehen. Spannen? Also spannte er – und sah sich gewissermassen auch im Recht. Eben erst war ja Sirit noch seine Freundin gewesen.
In Sirits Schlafzimmer war eine Kissenschlacht im Gange – durch die Scheiben hindurch meinte Sven Sirits unbefangenes, fröhliches Lachen zu vernehmen. Beide waren vollständig angezogen, sie alberten herum wie Teenies, auf eine Art, mit der Sirit mit Sven nie herumgealbert hatte, was ihm einen Stich versetzte. Ihre kurze Beziehung war innig gewesen, aber es gab kaum neckische Spielchen – dafür war Sven wohl schlicht zu intellektuell veranlagt.
Die Hitze der Schlacht nahm zu; Sirits Wangen glühten. Dann zog Joaquin Svens Geliebte an sich und küsste sie innig. Er schien sie festhalten zu müssen, sonst wäre Sirit weggeknickt. Durch die Schlafzimmerscheiben hindurch meinte Sven ein wohliges „ouuuuh...“, zu vernehmen. Sein Herz in Sachen Diversität war gross, sehr gross sogar, und als Vikar hatte er sich über Jahre hinweg für Randständige, für Migranten aus dem Balkan und für afrikanische Flüchtlinge engagiert – etwa in Strassenküchen.
Kissenschlacht
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