Klassentreffen

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Sven Solge

Jürgen lachte zurück: „Ja, ich war richtig fett. Habe das erst abgelegt, als mich ein Studienfreund zum Sport überredet hat!“

Jürgen erzählte seinen Werdegang und als er geendet hatte, fragte er Daggi: „Und was ist mit dir passiert? Du bist ja nicht wieder zu erkennen.“

Daggi schien etwas verlegen zu sein, eine leichte Röte überzog ihr Gesicht, bevor sie antwortete, schaute sie eine Weile auf ihre Hände: „Ich weiß, es war damals für mich nicht einfach. Aber als Jüngste von sechs Geschwistern, musste ich die Sachen meiner älteren Schwestern und Brüder auftragen. Meine Eltern waren einfach zu arm, um neue Sachen kaufen zu können. Deshalb habe ich mich gegen Kinder gewehrt, die mich verspottet haben.

Nach dem Abi habe ich dann Modedesign studiert und an der Uni einen Fotografen kennen gelernt, der mir gezeigt hat, wie ich mich kleiden sollte. Er hat mich total verändert und das Ergebnis siehst du heute. Du hattest ja auf dem Gymnasium ähnliche Probleme wie ich, deshalb habe ich immer versucht dich etwas zu beschützen, aber ich glaube, dass hast du nie bemerkt, oder?“

Jürgen schaute sie erstaunt an: „Du warst das? Ich habe mich immer gefragt, woher diese kleinen Hilfen kamen. Wenn ich mal Stress mit einem Mitschüler hatte, kam er eine Stunde später zu mir und entschuldigte sich. Ich konnte den Sinneswandel oft nicht verstehen, aber jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich habe dich immer um dein Durchsetzungsvermögen beneidet. Ich habe mir mein Selbstwertgefühl mühsam erarbeitet und das wurde erst besser, als ich als Sportler Erfolg hatte.“

„Bei drei älteren Brüdern, lernt man schnell sich durchzusetzen. Ich habe so manche Prügel einstecken müssen, bevor ich mich gewehrt habe. Aber heute habe ich die besten Geschwister der Welt!“ Daggi strahlte ihn an und fuhr fort: „Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich damals bewundert habe, mit welcher Ruhe und Gelassenheit du die kleinen Gemeinheiten über dich hast ergehen lassen? Und wenn ich dich jetzt so ansehe, bist du mit dir völlig im Reinen! Du strahlst eine Ruhe und Gelassenheit aus, da kann deine Frau sich sehr geborgen fühlen.“

Jürgen schaute ihr unverwandt in ihre hellblauen Augen und wollte gerade etwas erwidern, als sie plötzlich von anderen Mitschülern unterbrochen wurden.

Ein großes Hallo brach los, Küsschen hier und Hände schütteln dort, sodass Jürgen irgendwann den Überblick verlor. Es wurde ein lustiger Abend.

Allerdings fehlten zwei. Maren Wegner und Torben Petersen.

In einem ruhigen Moment fragte er Daggi nach den beiden.

„Von Maren hatte ich auch keine Adresse und habe aber von ihrem Vater erfahren, dass sie die Einladung an sie weitergereicht haben, sie hat sich aber nicht gemeldet. Torben hat mich angerufen und mir erzählt, dass er nicht kommen könne, da er vor kurzem einen schweren Autounfall hatte und sich noch in der Reha befände. Es gehe ihm aber gut!“

Daggi lehnte sich an ihn und freute sich diebisch über das bisher erfolgreiche Wiedersehen. Wie selbstverständlich hatte Jürgen einen Arm um ihre Taille gelegt und sie leicht an sich gezogen. Eine unglaubliche Wärme durchströmte ihn, als er ihren Körper so nah an sich spürte und sie ihre Blicke über die schnatternden Mitschüler streifen ließen.

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