Kleine, süsse Anna

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Kleine, süsse Anna

Kleine, süsse Anna

Anita Isiris

Eine kurze Zeit meines bewegten Lebens habe ich in Basel Gundeldingen verbracht. Aus meiner Sicht handelt es sich um die geheimnisvollste Region dieser hochentwickelten – und fortschrittlichsten Stadt der Schweiz. Schon immer hat hier ein liberaler, offener Geist geweht, die Menschen sind mehrsprachig, es gibt dieses faszinierende 3-Länder-Eck zwischen der Schweiz, Deutschland und dem Elsass, und ausserdem ist Basel für das rohstoffarme Land der einzige wahre Industriestandort.

Meine Wohnung, im 3. Stock, über knarrende Treppen zu erreichen, war alles andere als komfortabel. Geheizt habe ich mit Gas, und ein so genanntes Pilotflämmchen, in elfenhaftem Blau, hat mir angezeigt, ob die Heizung noch in Betrieb war oder nicht. Thermostaten kennen solche Wohnungen nicht – es wird einfach immer heisser, bis man die Heizung manuell zurückschraubt. Da und dort gibt es auch Gasexplosionen oder Brände, durchaus – aber davon handelt meine Geschichte nicht. Sie erzählt von einer ganz anderen Hitze.

Gleich mir gegenüber wohnte Stefan, ein Mitarbeiter der chemischen Industrie, der die Stadt zu grossen Teilen ihren Wohlstand verdankt. Auch Stefan war gutverdienend – was in seiner gepflegten Erscheinung und der opulenten Möblierung seiner 6-Zimmer-Suite einen Niederschlag fand. Stefan hatte allerdings ein Handicap: Er war kleinwüchsig, 120 cm gross, mit einem etwas überdimensionierten Oberkörper, was aber sicher auch seinem Karate-Training zu verdanken war, das er mehrmals wöchentlich besuchte.

Erst nach längerer Bekanntschaft, ich erinnere mich gut an das gemeinsame Glas Chianti auf meinem Balkon, hat mir Stefan sein Herz geöffnet. Es gab nichts, wonach er sich mehr sehnte, als nach einer normalwüchsigen Frau. «Es gibt durchaus hübsche kleinwüchsige Frauen», fügte er mit schlechtem Gewissen an – «aber was ich suche, ist eine normal grosses, schlankes Gegenüber, mit dem ich mich austauschen kann».

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