Knocked out

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Yupag Chinasky

Er stand auf, zum Zeichen, dass er in diesem Fall momentan nicht mehr tun könne und die Sache für ihn vorerst erledigt war. Für den Geschädigten war es das jedoch keineswegs. Aber seine Einwände, dass die Einflößung von k.o.- Tropfen schließlich Körperverletzung sei, dass er sich beim langen Gehen mit nackten Füssen die Sohlen total kaputt gemacht habe, ein Märtyrergang gewissermaßen, und dass er sich durch die vielen Stunden in den nassen Klamotten eine veritable Grippe zugezogen habe, alles Dinge, für die ihm doch Schmerzensgeld zuständen, wollte der Chef du police gar nicht mehr hören. Auf ihn warteten wichtigere Arbeiten als solch ein banaler Fall von Belästigung in Verbindung mit einfachem Diebstahl.

Total frustriert verließ er das Revier, von dort würde er keine Hilfe bekommen. Am Nachmittag kam der Mietwagen, gegen Abend holte er das Protokoll ab und erwähnte seinen ursprünglichen Wunsch, die Bar zu suchen, erst gar nicht mehr. Der Polizeichef sprach ihn darauf auch nicht an. Ohne einen weiteren Besuch im Faisan d’or verließ er die ungastliche Stadt, die er nun völlig anders sah als an dem noch jungfräulichen Sonntagnachmittag.

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Der weiße Mercedes wurde nicht gefunden. Er hatte wohl noch rechtzeitig, das heißt bevor die Fahndung einsetzte, die Grenzen in Richtung Afrika, Vorderer Orient oder Osteuropa überschritten. Der Wagen wurde, wie auch die anderen abhanden gekommenen Wertgegenstände, von der Versicherung anstandslos ersetzt. Von der Polizei aus A. hörte er nichts mehr, er erhielt nicht einmal die Nachricht, dass es nichts zu berichten gab und die Ermittlungen eingestellt worden seien und hatte guten Grund zu bezweifelte, ob sie jemals richtig aufgenommen worden waren. Der verschobene Geschäftstermin hatte keine weiteren Folgen und die Erklärungen gegenüber seinem Chef und seiner Frau erschienen plausibel und wurden akzeptiert. Aber sie waren für ihn sehr peinlich, denn er musste sich um die Wahrheit herum winden und deswegen schämte er sich. Dass er sich rechtfertigen und entschuldigen musste war für ihn schlimmer als der Schaden selbst und wurde nur noch von dem Knacks übertroffen, den sein Selbstbewusstsein erlitten hatte. Es wurmte ihn zutiefst, dass ihm dieser Mist zugestoßen war, ihm dem ehemaligen Einzelkämpfer und Elitesoldat, dem Durchblicker in jeder Lebenslage. Deswegen, vor allem deswegen, bekräftigte er noch mehrmals seinen Schwur auf Rache, den er schon im Straßengraben, kurz nach seinem Aufwachen, geleistet hatte.

In A. tauchte Anfang September ein stiller Gast auf, der sich für ein paar Tage im Aigle Noir einquartierte, verschiedenen Leuten eifrig Fragen stellte, sich viele Notizen machte, einige Objekte offen und verschiedene Leute diskret fotografierte und dann wieder verschwand. Es war ein erfahrener Detektiv, der sein Metier verstand und alle Informationen, die er benötigte, auch erhielt ohne Verdacht zu erregen. Das Dossier, das er seinem Auftraggeber Mitte September vorlegte, war umfangreich und die Stange Geld, die es gekostet hatte, durchaus wert. Die wesentlichen Beteiligten des Coups waren identifiziert, gut beschrieben und fotografiert worden. Einige sehr interessante Details ihrer Gewohnheiten waren aufgelistet. Die richtigen Namen waren nicht Janine, Guy und Marcel, aber lassen wir es dabei. Alle drei wohnten in A. Guy und Marcel waren Freunde, denen die Bar mit angeschlossenem Puff gemeinsam gehörte. Das Etablissement war in der Tat nur den Stammkunden bekannt. Die beiden bestritten ihren Lebensunterhalt mehr auf unehrliche, denn auf ehrliche Art und Weise. Von einigen Informanten wurden ihnen Kontakte zur organisierten Kriminalität unterstellt. Es schien ihnen jedenfalls nicht schlecht zu gehen, angesichts der Insignien des Wohlstands, die sie zur Schau stellten: schnelle Autos, teure Freundinnen, Goldkettchen, single malt Whisky und Markenklamotten. So richtig auffällig, polizeiauffällig, waren sie aber nicht geworden, vielleicht hatten sie bisher nur Glück oder gute Anwälte gehabt. Harmlose Zeitgenossen waren die beiden jedenfalls beileibe nicht. Janine, die selbstverständlich nicht Guy’s Cousine war, schien eher zufällig und nur zeitweise dazuzugehören. Sie war flatterhaft und immer darauf aus, an leicht verdientes Geld zu kommen, aber sie war keine Prostituierte. Ihre Freundschaft mit Guy war schon kurz nach dem Ereignis mit dem Mercedesfahrer beendet. Sie hatte angeblich im Lotto gewonnen, andere sagten, sie habe geerbt, jedenfalls war auf einmal genügend Geld da, um dem Trend der Zeit folgend, ein Nagelstudio aufzumachen, das ganz gut florierte. Sie hatte einen neuen Freund, Ricky, mit dem sie in einer kleinen Wohnung über dem Nagelstudio lebte. Ricky war ein Schluri, der genauso wie Guy und Marcel, dunklen Geschäften nachging. Eine Auflistung dieser Geschäfte hätte genügend Material ergeben, um ihn bei Bedarf in die Enge zu treiben.

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schreibt Huldreich

Lieber Yupag Chinasky! Ihre Geschichte hat mir gefallen, samt dem Hinweis auf Stig Larrson's Lisbeth Salander, Danke sehr gut erzählt und spannend bis zum Schluß. Ich freu mich auf die nächste und grüsse Sie herzlich, Ulrich Hermann aus München

Gedichte auf den Leib geschrieben