„Die Haare“ raunzt er sie an. Sie weiß nicht, was er will. „Zieh die Nadeln aus den Haaren.“ Die Haare fallen auf ihre Schultern. Sie ist blass, ungeduldig. „Was ist jetzt mit dir? Komm, zieh dich auch aus!“ Sie drängt wieder, will das Spiel beenden, das kein Spiel ist. Statt einer Antwort holt er einen kleinen Photoapparat aus seiner Jackentasche. „Was soll das? Warum Fotos? Davon war keine Rede. Ich will nicht, dass du mich knipst.“ Er lacht wieder, dieses verhaltene, unheimlich Lachen. „Vielleicht willst du später mal sehen, wie du ausgesehen hast.“ „Was soll das Heißen, wie ich ausgesehen habe“ schreit sie. Die Angst hat sie wieder erfasst. Die kalte Angst. Erneut tritt Schweiß auf ihre Stirn. Er drückt ab. Es blitzt. Er macht einige Bilder. Wechselt seine Position. Dann gibt er ihr Anweisungen. „Leg dich auf den Rücken.“ Klick. „Die Beine breit.“ Klick. „Umdrehen.“ Klick. „Hintern in die Höhe“. Klick. Er schaut sich die Bilder auf dem Monitor an. Macht noch ein paar, dann ist er zufrieden und steckt die Kamera wieder ein.
Doch fertig ist er noch lange nicht. Jetzt zieht er ein Messer aus der Hosentasche. Ein schmales, langes, gefährliches Butterfly-Messer mit doppelseitig scharf geschliffener Klinge. Ein Messer, das eigentlich niemand braucht. Sie schreit wieder auf, als die kalte Klinge im Schein der Nachttischlampe aufblitzt. Langsam, fast in Zeitlupe, fängt er an, nicht vorhandenen Dreck unter seinen Fingernägeln hervorzupulen. Dabei beobachtet er sie scharf. Weidet sich an ihrer Angst. “Du wolltest mir ja keine Manikür geben. Deswegen muss ich es selbst machen.“ Er grinst zynisch.
Nachdem er fertig ist, legt er das geöffnete Messer auf den Nachttisch und auf einmal hat er ein Feuerzeug in der Hand, ein billiges, rotes Wegwerffeuerzeug. Er macht es ein paar mal an und wieder aus. Ihre Angst springt schlagartig an, steigert sich nochmals. „Nur kein Feuer, lieber Gott,“ betet sie, „nur kein Feuer.“ Sie schreit „Was soll, das jetzt? Spinnst du total?“ Sie ist an das äußerste andere Ende des Betts gerutscht. Schützt immer noch ihre nackten Brüste mit den gekreuzten Armen. „Komm her! Komm näher!“ blafft er sie an. Sie reagiert nicht. Er wird wütend. „Komm sofort her, du Schlampe oder ich werde richtig böse.“ Sie rutscht langsam in seine Richtung. Kaum ist sie in der Reichweite seiner Arme, greift er blitzschnell in ihre Haare. Zieht und zerrt. Sie fällt um, schreit. Brutal zieht er, zieht sie näher an sich heran. Dann schnappt er sich das Messer vom Nachttisch, schneidet ein Büschel Haare ab und lässt sie wieder los. Sie heult auf und rutscht zurück in die sichere Bettecke. Er grinst. Nimmt die Haare, schaut sie genau an, riecht daran. Dann entzündet er das Feuerzeug, hält die Flamme an das Büschel. Es kockelt und stinkt. Das brennende, glimmende Büschel legt er auf die Marmorplatte des Nachttischs.
„Du bist doch nicht ganz dicht“ keift sie, „mach doch, was du machen willst und hau endlich ab.“ „Ich mache doch, was ich will“ entgegnet er und holt einen neuen Gegenstand aus seiner Jackentasche. Ein paar dünne Latexhandschuhe. Er bläst sie auf und beginnt langsam sie überzustreifen. Sie starrt ihn an. „Wozu das?“ Sie ist verunsichert, ihre Stimme ist brüchig. Wie lange soll das noch weitergehen? „Spuren vermeiden. Du hast doch bestimmt schon mal im Film gesehen, wie man Fingerabdrücke vermeidet.“ Er ist fertig. Sie auch. Sie wimmert. Dann hebt er die Reisetasche vom Boden hoch und stellt sie auf das Bett. Kramt herum und holt ein Lederetui hervor, öffnet es. Ein metallfarbenes Gerät liegt darin. Er holt es heraus. Drückt auf einen Knopf. Es fängt an zu surren. Er legt es auf das Bett und das Etui auf den Nachttisch, neben das Häufchen grauer Asche. Es stinkt immer noch.
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schreibt Huldreich