Er hatte sich durch harte Arbeit hoch geschafft und die Zeit, die ihm für den Rest des Lebens blieb, war karg bemessen. Um so mehr war er darauf bedacht, diese Zeit effizient zu nutzen. Denn er war nicht nur der clevere Macher, den die Kunden und Kollegen kannten und schätzten, sondern auch ein Schöngeist und Genießer, ein Bonvivant. Wenn immer es möglich war, verband er seine Geschäftsreisen mit Entdeckungen in der Provinz und dem Besuch guter Restaurants. Seine Sammlung von Sternerestaurants war recht ansehnlich, fast so groß, wie die seiner „verwunschenen Romantikstädte“, wie er sie nannte. Doch nur selten gelang es ihm, beide Leidenschaften auf einer Reise zu befriedigen, denn in diesen Städtchen waren in der Regel keine herausragende Lokale angesiedelt. Die Liebe zu Coquillages und Coq au vin, zu Bordeaux und Burgunder sah man ihm durchaus an. Er hatte meist einen freundlichen, heiteren Ausdruck in seinem rosa Gesicht, den allerdings manche Geschäftspartner falsch interpretierten. Eine randlose Brille ließ ihn viel seriöser erscheinen als er war. Nicht dass er ein Betrüger wäre oder einer, der richtig krumme Sachen machte, nein, dass nicht, aber er war knallhart, skrupellos und scheute sich nicht, haarscharf an der Grenze zu Illegalität zu agieren. Ein deutlicher, wenn auch nicht üppiger Bauchansatz, kündete von seiner Liebe zur „grande cuisine“. Stets gut und geschmackvoll gekleidet, war er der Prototyp eines soignierten Gourmets, der in jeder Talkshow über Kunst und Küche einen guten Eindruck hinterlassen hätte. Und für die, die ihn nicht so recht kannten, stellte er einen grundsoliden Händler dar, von dem man bedenkenlos jeden Gebrauchtwagen gekauft hätte.
Ganz versunken in den Anblick seiner geliebten Mauern und Türme, nahm er das Pärchen, das auf der Landstraße auf ihn zu kam, erst im letzten Moment wahr.
Knocked out
schreibt Huldreich