„Ich habe nur festgehalten, was du bist, damit das jeder weiß, der dich sieht, der dich nackt sieht. Und jetzt pass mal auf. Ich will nichts mehr von dir. Ich bin mit dir fertig und du wirst nie mehr etwas von mir hören. Es sei denn, du gehst zur Polizei. Dann komme ich wieder und ich finde dich, das verspreche ich dir und dann geht es dir schlecht, richtig schlecht. Und noch was. Wenn dein Freund kommt, zeig ihm deinen Körper, sag ihm was geschehen ist, erzähl ihm von mir. Aber wehe, er kommt auf die Idee zur Polizei zu gehen. Ich weiß so einiges über ihn. Er wird seines Lebens nicht mehr froh, sag ihm das auch. Und du, bleib vernünftig und leg nie wieder jemand so rein, wie du mich reingelegt hast.“ Sie antwortet nicht. Sie weiß immer noch nicht genau, was er mit ihr gemacht hat, aber sie lebt und ihr tut nichts weh. „Gott sei Dank, jetzt ist es endlich vorbei,“ denkt sie.
Doch zu ihrer Überraschung fängt der Mann auf einmal an, sich auszuziehen. Erst die Jacke, dann den Pulli, das Hemd, die Stiefel, die Hose. „Also doch, also doch noch eine Vergewaltigung.“ Sie schließt die Augen. Wartet, dass er sich auf sie wälzt, auf die Wehrlose, die Gefesselte. Dass er stöhnt, an ihr herumgrapscht, in sie eindringt, sie mit seinem widerlichen Sperma befleckt. Doch nichts dergleichen geschieht. Vorsichtig öffnet sie die Augen und sieht, wie er sich wieder anzieht. Doch es sind andere Kleider. Es sind die Sachen, die sie von ihrem ersten Zusammentreffen noch in Erinnerung hat. Ein elegantes Hemd, eine graue, gut geschnittene Hose, braune Halbschuhe. Dann sieht sie, dass seine Haare wieder weiß geworden sind. Die schwarze Perücke liegt auf dem Bett, daneben die Augenbrauen, der falsche Bart und die Hornbrille. Der elegante, ältere Herr stopft seine Pennerkleider und die Kostümierung in die Reisetasche. Er setzt sich seine randlose Brille auf und sieht sich sorgfältig um, ob er noch etwas liegen gelassen hat. Dann richtet er seinen Blick auf sie, lächelt sie an, ganz der freundliche, galante Lover und sagt „Es hätte schön sein können mit uns beiden. Ich hätte dir garantiert ein großzügiges Geschenk gemacht. Eines, über das du dich mehr gefreut hättest als über das, was ich dir heute Abend schenken musste. Aber du wolltest es ja so.“ Er zieht eine hellbraune Lederjacke an und zappt den Reißverschluss der Reisetasche zu.
„Ich geh jetzt. Dein Ricky wird bald kommen und dich befreien. Leb wohl und denk an meine Worte. Keine Polizei, keine Dummheiten“. Er löscht das Licht der Nachttischlampe, im Raum ist es stockdunkel. „Lass bitte das Licht an“ wimmert sie. Er macht es wieder an. Bleibt in der Tür noch einmal stehen. Betrachtet sie eine ganze Weile, als ob er sich von ihrem Anblick, von diesem nackten, geschundenen und dennoch verführerischen Körper einfach nicht lösen kann. Er greift wieder in seine Jackentasche und holt den Photoapparat noch einmal hervor. „Ich hätte ja fast vergessen, mein Kunstwerk zu dokumentieren.“ Sein Blick wandert über ihren Körper. „Du bist immer noch eine verdammt schöne Frau. Pardon chérie et au revoir“. Dann ist er draußen
8
Er geht zu seinem Auto. Schon von weitem sieht er, dass ein Streifenwagen danebensteht. Er zögert, will umdrehen. Doch einer der Polizisten hat ihn entdeckt.
„Sind Sie der Besitzer?“ ruft er. Soll er leugnen, weiter gehen, tun, als ob ihn das nichts angehe? Nein, zu spät. „Ja, warum? Was ist los?“ „Es tut mir leid, monsieur, aber dies ist eine unsichere Gegend. Viele kleine Kriminelle, viele Ausländer. Einer von denen, ein Vierzehnjähriger, hat ihren Reifen zerstochen. Wir sind zufällig auf Streife vorbeigefahren und haben es gesehen. Wir konnten ihn sogar schnappen. Er sitzt im Wagen.“
„Ja, das ist ärgerlich. Aber ich wechsle den Reifen, dann ist für mich die Sache erledigt. Dummer Jungenstreich, was soll’s.“ „Nein, monsieur, Sie müsse Anzeige erstatten, wegen der Versicherung und weil wir ihm einen Denkzettel verpassen wollen. Er ist noch minderjährig und wir müssten ihn laufen lassen, aber wenn Sie Anzeige erstatten, müssen seine Eltern eine Strafe bezahlen und das wird sie ärgern und sie achten vielleicht in Zukunft mehr auf ihr Früchtchen. Wir helfen Ihnen beim Reifenwechsel, aber dann kommen Sie bitte mit, auf das Revier. Es dauert nicht lange, aber es muss sein.“
Widerwillig fügt er sich. Er holt das Reserverat aus dem Kofferraum. Der Reifenwechsel geht schnell und problemlos vonstatten. Er legt den kaputten Reifen in den Kofferraum und stellt seine Reisetasche daneben. „Jetzt lieber keinen Aufstand“, denkt er. „Sollen die doch ihre Anzeige haben.“
Er kennt das Revier. Er war schon einmal hier gewesen. Und er erkennt den Mann, der hinter dem Schreibtisch sitzt und sich die Erklärungen seiner Untergebenen anhört. Resigniert lässt er sich auf einen Stuhl fallen. Knocked out.
Knocked out
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schreibt Huldreich